Vom Himmel in Die Traufe
dieses äußerst geheime Vorhaben eingeweiht?
Doktor Sorjonen erklärte, dass er von dem Plan eines Aufstandes der Arbeitslosen bereits im Sommer erfahren hatte, als er Lena Lundmark nach ihrem spektakulären Ballonunfall behandelte. Die Patientin hatte ihren Leibarzt gefragt, wie sie sich zu einem Mann verhalten sollte, der womöglich demnächst einen blutigen Bürgerkrieg vom Zaune brechen würde. War es angebracht, mit so jemandem die Ehe zu schließen? Darauf hatte Sorjonen als Orthopäde keine abschließende Antwort geben mögen, er hatte nur erklärt, dass Kriegsverletzungen zwar sein Metier waren, ganz allgemein gesehen, dass aber sämtliche vor einem Krieg auftauchenden Fragen eine Sache für sich waren und eher in das Gebiet der Politik und der Psychiatrie fielen. In den Gesprächen hatte sich herauskristallisiert, wie sich das Projekt darstellte, in das Lena durch ihren Hermanni hineingezogen worden war. Es war ebenfalls zur Sprache gekommen, dass Hermanni Heiskari ein alter fliegender Holzfäller war, arm und wohnungslos, aber sonst recht anständig. Auch zu dieser Bemerkung hatte Sorjonen, wie er sagte, keinerlei Stellung genommen, da er Orthopäde war und sich mit Charakter und Lebensstil von Vagabunden nicht näher auskannte.
Da sie nun so gute Freunde geworden waren, baten Hermanni und Ragnar, dass sich Doktor Sorjonen als medizinischer Experte am Projekt beteiligen möge. Das hätte beinah wieder zu einem ethischen Problem geführt, denn im Allgemeinen schützen Ärzte das Leben und schüren keine Kriege, und sie verabscheuen das Töten. Aber als Hermanni darauf hinwies, dass es hier lediglich um die medizinische Betreuung während des Krieges ging, um die Versorgung der Verwundeten, die ja auch das Rote Kreuz normalerweise in Krisengebieten übernahm, konnte Sorjonen natürlich den Gedanken akzeptieren. Nach seinen Worten ließe sich, wenn man die medizinische Versorgung sachkundig im Voraus und nach den ethischen Normen des Roten Kreuzes plante, das Leben vieler unschuldiger Menschen retten und ließen sich Verwundete, sowohl Unbeteiligte als auch aktive Kämpfer, heilen. Er versprach, fundierte Pläne für ein entsprechendes Netz von Feldlazaretten zu erstellen.
Die abschließende Phase des Aufenthaltes gestaltete sich höchst angenehm. Hermanni schrieb Seppo Sorjonens Vortrag über Rückenerkrankungen ins Reine, ergänzte ihn mit eigenen Beobachtungen und behandelte das Thema überhaupt weit literarischer, als es Sorjonen zu tun gewagt hätte. Er fügte dem Vortrag sogar aus eigenem Antrieb ein Fallbeispiel hinzu, das von der medizinischen Kunst des Schmucken Jussi (John the Handsome) handelte.
Draußen in den Wäldern hatte es Probleme mit einem Holzfäller gegeben, der über Rückenschmerzen geklagt hatte. Die Chefs hatten ihn für einen Drückeberger gehalten und ihn aufgefordert, sich an seine Arbeit zu scheren, andernfalls würden sie einen anderen Interessenten an seine Stelle setzen. Der Schmucke Jussi hatte sich des Mannes angenommen, hatte rechts unten auf seinen Bauch gedrückt, worauf der Ärmste schrecklich gestöhnt hatte.
»Eindeutig Blinddarmentzündung«, hatte Jussi gesagt.
Bis zum nächsten Krankenhaus waren es zweihundert Kilometer gewesen, der erste Teil der Strecke unwegsames Gelände. Jussi war nichts weiter übrig geblieben, als zur Motorsäge zu greifen und dem Patienten den Bauch aufzuritzen. Mit der Zange hatte er den dicken Wurmfortsatz, der kurz vorm Platzen gewesen war, abgeknipst und anschließend die Operation mit Eisengarn vollendet. Auf diese Weise war der Holzfäller auch seine Rückenschmerzen los gewesen.
Das Ergebnis von Hermannis Mühen war ein flotter schriftlicher Vortrag, und als der dann noch mit Ragnars Hilfe ins Englische übersetzt worden war, konnten sich die Herren anderen Dingen zuwenden. Das bedeutete, dass sie vormittags gemeinsam den Volksaufstand planten, die Siesta damit verbrachten, im Swimmingpool zu liegen oder in der Lagune herumzuplanschen, und wenn es zum Abend hin kühler wurde, fuhren sie aufs Meer hinaus oder machten eine Reittour.
Dann aber näherte sich der Tag, da Doktor Sorjonen seinen Vortrag in Lissabon halten sollte, und so besorgten sie sich Tickets und flogen zurück nach Europa.
Vierter Teil
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Im Hotel Diplomatic in Lissabon entwickelte Doktor Seppo Sorjonen, basierend auf seinen Erfahrungen als Berater des Roten Kreuzes, einen Plan zur Versorgung der Verwundeten und Bestattung der Toten während des
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