Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
Lachen, wenner mit der Welt im Reinen war. Seine ernsten Augen, wenn er über ein Problem grübelte. Seine rasche Auffassungsgabe. Sein Witz. Die kumpelhafte Art, wie er mit den Zwillingen umging. Sein Stolz. Sein Stil. Natürlich war er arrogant gewesen. Unerträglich arrogant, wenn er es sein wollte. Wenn ich nur an die Streitereien zwischen ihm und Bea dachte. Wahre Wortgefechte waren das gewesen. Die beiden hatten einander nur sehen müssen, und schon hatte es gekracht. Ein Funke genügte für eine gewaltige Explosion. Nicht, dass Peter Bea nicht mochte, Es war ihre Selbstständigkeit, die ihn reizte. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie es mit jedem Mann aufnahm. Der Mangel an Zurückhaltung. Das völlige Fehlen von dem, was für ihn »Frausein« bedeutete: all das Damenhafte, die Verletzlichkeit, eine gewisse Scheu vor Unbekanntem, das Schutzsuchende und das Gefallenwollende. All das war bei Bea von jeher nicht zu finden.
Ich blickte zu Carla hinüber. Sie war eben dabei, die langen rotblonden Locken ihrer Tochter zu bürsten. Die silberne Spange, die sie abschließend auf Maries Hinterkopf befestigen würde, baumelte aus ihrem Mundwinkel.
Mit Carla hatte sich Peter ausgezeichnet verstanden. Sie war elegant, gepflegt und als Enkelin einer ostpreußischen Großmutter stets Herrin über ihre Gedanken und Gefühle. Eine Dame vom Scheitel ihres rotblonden Pagenkopfes bis hin zur Sohle ihrer schlichten 300-Euro-Pumps. Vielleicht hätte Carla viel besser zu Peter gepasst. Hatte sie nicht selbst zu Bea gesagt, sie sei scharf auf ihn gewesen? Ich musste lächeln. Welch ungewöhnlicher Ausdruck aus Carlas vornehmem Mund. Ich war stolz darauf, dass so viele bildschöne Frauen Peter umschwärmt hatten wie die Motten die einzige Lichtquelle. Er war von Kindesbeinen an gewohnt gewesen, dass man ihn liebte. Ein dunkler Lockenkopf, dunkle große Augen – »Kirschenaugen«, wie seine Mama (mit Betonung auf dem zweiten »a«) nicht müde wurde zu betonen. Sein gewinnendes Lächeln. Ihn zu sehen und hingerissen zu seinwar eins. Das traf nicht nur auf Mama zu, sondern auch auf seine damals noch lebende Großmama (natürlich ebenfalls mit Betonung auf dem zweiten »a«) mütterlicherseits. Auf Tanten, Lehrerinnen. Doch nicht nur Frauen liebten Peter Steinberg. Auch seine männlichen Verwandten, Lehrer und Freunde (und davon gab es unzählige) waren angezogen von seinem Charme, seiner Zielstrebigkeit und von der Selbstverständlichkeit, mit der er sein Leben nach seinen Vorstellungen gestaltete.
Nur Hubert schien nie so recht in dieses Bild zu passen. Hubert Steinberg, der gestrenge Vater. Sohn eines Offiziers. Enkel eines Offiziers. Er war kurz vor dem Zweiten Weltkrieg geboren worden. Als tief gläubige Katholiken hasste seine Familie das Nazi-Regime von ganzem Herzen. Als der Krieg zu Ende war, war Hubert sieben Jahre alt gewesen. Er wuchs zu einem Mann mit festen Grundsätzen und zähem Pflichtbewusstsein heran. Sein Vater war aus russischer Gefangenschaft nie zurückgekehrt. Er selbst hatte den Krieg außer einigen innerlichen und äußerlichen Schrammen heil überstanden. Obwohl seine Mutter und er kaum Geld hatten, hatte er das Abitur geschafft. Ein Umstand, der ihn mit ebenso großem Stolz erfüllte wie Mama später die Kirschenaugen ihres Sohnes. Er hatte Glück und bekam eine Anstellung als Sachbearbeiter in einer kleinen Fabrik, die Suppen in Konservendosen herstellte. Mit Fleiß und unermüdlichem Einsatz diente er sich die Karriereleiter hoch. Und doch wäre er wohl nie über die dritte Führungsebene hinausgekommen, wäre ihm nicht eines Tages Konstanze, die hübsche Tochter des Firmeninhabers, über den Weg gelaufen. Ich war mir nie klar darüber geworden, was die verwöhnte Unternehmerstochter veranlasst haben konnte, sich in Hubert zu verlieben. Dennoch war es geschehen. Nach einem Jahr Verlobungszeit wurde geheiratet. Nach einigen Jahren übernahm Hubert von seinem Schwiegervater die Leitung des Betriebes. Zum Leidwesen von Konstanzes jüngerem Bruder Felix, der sich fortan um die neu gegründeteProduktionsstätte in Italien kümmerte. Man brachte es zu Ansehen und Wohlstand. Und bereits im zweiten Ehejahr wurde ihr einziges Kind geboren. Ein Sohn, Stammhalter und Erbe. Er wurde Peter genannt, nach seinem inzwischen verstorbenen Großvater. Peter, der Vielgeliebte, der Vielbewunderte. Der alle in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllte und zu einem gut aussehenden jungen Mann heranwuchs. Der Jura studierte und
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