Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
Hubert. »Ihr wisst doch, dass ich eine Vorliebe für den Norden, insbesondere für Schweden habe. Wenn du mit mir kommst, Tim, ich habe unten in meiner Wohnung einige Bildbände über Skandinavien. Die solltest du dir unbedingt ansehen.«
Tim warf seinem Bruder einen vielsagenden Blick zu. »Das werde ich bis morgen nicht mehr schaffen, Gropa.«
Sebastian verkniff sich ein Grinsen.
Tim und freiwillig etwas lesen, das in der Schule nicht unbedingt verlangt wurde? Undenkbar. Die Lehrer waren schon froh, wenn er ein Minimum des Stoffes wusste. Tim war sicher so intelligent wie sein Bruder. Doch das Lernen konnte ihn, im Gegensatz zu Sebastian, selten begeistern. Seine Talente lagen im außerschulischen Bereich, wie er nicht müde wurde zu erklären.
Hubert wandte sich wieder seiner Lektüre zu. Mochte er auch mit mir streng ins Gericht gehen, so war er seinen Enkeln gegenüber milde gestimmt. Er hatte sich zwar von Anfang an verbeten, dass sie ihn »Opa« nannten. Ein »verweichlichter« Ausdruck, der eines erwachsenen Mannes unwürdig war. Er hatte auf »Großpapa« bestanden. Als dieJungen sprechen lernten, wurde aus »Großpapa« »Gropa«, und dabei ist es geblieben.
Die Jungen waren der Anlass, dass Peter und ich heirateten, fünf Jahre nach unserem Kennenlernen. Eine Tatsache, die mir Hubert nie verziehen hatte. Die schönsten Frauen hätte sein Sohn haben können. Die reichsten und natürlich solche aus den ersten Familien des Landes. Aber Peter musste sich ja an die Nächstbeste vergeuden. Nur weil sie ihm ein – nein, sogar zwei – Kinder anhängte und ihn damit fest in ihren Fängen hatte. Nicht einmal eine ansehnliche Mitgift hatte ich, die Landpomeranze, mitgebracht. Dabei wären andere Väter bereit gewesen, ihre Töchter standesgemäß auszustatten. »Mit mindestens hundert Kamelen«, wie Bea einmal spöttisch bemerkte.
Hubert mochte Bea nicht. Er mochte mich nicht. Seinen Enkeln konnte er sich jedoch nicht verschließen. Je älter die beiden wurden, desto mehr eroberten sie sein Herz. Er war stolz auf Sebastians Leistungen. Und er verzieh Tim jede Unzulänglichkeit, weil er ihn in seiner fröhlichen, charmanten Art an Peter erinnerte.
»Marie, du siehst richtig bescheuert aus, wenn du dich so zurechtmachst.« Sebastian war bereits auf dem Weg zur Tür.
»Sebastian!«, rief ich entsetzt. Nur jetzt kein Heulkonzert am Frühstückstisch! Was war denn bloß in meinen sonst so besonnenen Sohn gefahren? Er verstand sich doch gut mit Marie. Und er wusste, dass sie seit kurzem bei jeder Kleinigkeit beleidigt reagierte. Doch zu meiner Überraschung nahm ihm Marie seine offenen Worte nicht übel. Sie drehte und wendete sich, sodass das duftige Röckchen ihres Kleides und der Ponyschweif hin und her flogen. Normalerweise war sie ein sportliches Mädchen in praktischen Jeans. Doch jedes zweite Wochenende verwandelte sie sich in eine sittsame Prinzessin.
»Papi mag es am liebsten, wenn ich mich für ihn hübsch mache«, sie wandte sich Tim zu, der sie bisher nicht beachtet hatte, »und ich bin doch hübsch, was sagst du, Tim?«
»Nicht schlecht«, er hob seinen Blick nur kurz von seinem Schulheft. »Sieht aus, als könnte aus dir noch etwas werden.«
Marie verstand das als Kompliment.
»Na, wenn’s dein Papi will, ist natürlich alles klar«, murmelte Sebastian, hob grüßend die Hand und schloss die Tür hinter sich. Weder er noch sein Bruder konnten Maries Vater Oliver Martens ausstehen. Aber sie waren fair genug, es Marie nicht merken zu lassen.
Ich blickte wieder in die Runde. Wir waren eine richtige Großfamilie geworden.
Wie anders war es gewesen, als Peter und ich vor mehr als sechzehn Jahren, gleich nach der Hochzeit, hierher gezogen waren. Das Haus gehörte Peters betagter Großtante, einer Schwester seiner verstorbenen Großmama. Diese lebte damals mit einer Pflegerin in der Souterrainwohnung. Diese Wohnung hatte keine Fenster zur Straße hin, dafür eine breite Glastür zum kleinen Garten hinter dem Haus. Für uns war die Erdgeschosswohnung frei geworden. Das Dachgeschoss war an ein betagtes Ehepaar vermietet. Wie still war es damals hier gewesen. Doch dann kamen die Zwillinge, und mit ihnen kam Leben in die alte Villa. Bald darauf starb die Großtante und vermachte Peter das Haus. Einige Jahre später zog das Ehepaar aus dem Dachgeschoss ins Altenheim. Mir gegenüber hatten sie erklärt, das Treppensteigen sei ihnen zu anstrengend geworden. Sicherlich hatten aber auch das Toben der
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