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Vom Kämpfen und vom Schreiben

Vom Kämpfen und vom Schreiben

Titel: Vom Kämpfen und vom Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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schreiben!«
    Marita guckt angewidert. Und dann fängt sie an: Sie sei ihr Leben lang arm gewesen, habe immer dienen müssen, immer nur dienen, immer für andere da sein müssen, sie habe Abitur, abends habe sie das Abitur gemacht, nach der Arbeit, jawohl, mit eins Komma irgendwas, sie habe ihren Sohn alleine großgezogen, auch alleine, immer alleine, immer arm … Marita hört gar nicht mehr auf.
    Ich sage: »Stopp! Irgendwo musst du doch mal anfangen, was zu tun, das habe ich doch auch getan. Man muss doch mit dem ersten Schritt anfangen, nicht mit dem letzten.«
    Marita sagt: »Du hast ja auch keine Sorgen!«
    Ich schlucke. Hat sie recht? Sie hat recht. Jetzt habe ich keine Sorgen, nach über zwanzig Jahren geht es mir heute wirklich gut.
    Ich bin kleinlaut, als ich sage, dass sie recht hat, dass ich tatsächlich glücklich und zufrieden sei. Marita lacht mir höhnisch ins Gesicht.
    »So? Zufrieden? Womit denn? Womit bist du zufrieden? Mit einer Zweizimmerwohnung und einer Monatskarte für die Straßenbahn? Mit einem Roman, von dem du nicht leben kannst? Mit Lesungen in Kneipen vor zwanzig Leuten?«
    Ich beiße mir in die Unterlippe und bemühe mich, ihr keine zu scheuern.
    Marita sagt: »Wenn dir das reicht, bitte. Mir reichte das nicht, ich will mehr vom Leben haben und ich bin nicht so leicht abzuspeisen wie du!«
    Ich drehe mich um und renne heulend ins Haus.
    Nun wird Marita auch in meinen Therapiesitzungen zum Thema. Und als der Doktor fragt, warum ich solche Angst vor dieser Frau habe, löst er das Rätsel schon fast: Vielleicht habe ich einfach Angst, auch so verbittert, mutlos und einsam, auch so eine Frusthenne zu werden.

Guerillamarketing
    Mitte 2008 ziehen wir nach Köln. Ich liebe diese Stadt seit dem ersten Tag, an dem ich hier war.
    Zufällig hat eine Bekannte einen Nachmieter für ihre Wohnung in der Innenstadt gesucht. Nach unserer Heirat im Dezember haben wir eine Steuerrückzahlung erhalten, also ein bisschen Geld auf der Kante. Das investieren wir in Kaution und Umzug. Nun wohnen wir in einer Dreizimmerwohnung in der lebendigsten Stadt Deutschlands. Unsere Kinder besuchen uns oft, wir finden sofort Freunde, genießen das Großstadtleben und sind rundum glücklich.
    Marita beendet den Kontakt zu mir in einer langen Mail. Sie schreibt unter anderem, dass es nicht ihrem Lebensgefühl entspräche, wie ich mir alles aus dem Ärmel schütteln würde. Offenbar hätte ich den richtigen Platz an der Seite des passenden Mannes gefunden, während sie immer noch unruhig und rastlos und von ihrer Sehnsucht nach mehr und Meer getrieben sei. Ich verstehe sie so, dass ich nicht in ihr Leben passe, weil es mir zu gut geht. Ich bin sauer auf sie, denn ich schüttele mir weiß Gott gar nichts aus dem Ärmel.
    Als nächstes muss ich raus aus der SM-Szene. Ich hab so viel gesehen, so viel gehört, dass ich satt bin. Ich kann nicht mehr. Ich will nichts mehr von SM hören und ich will ein Leben außerhalb des Internets. Fast geht es mir wie meiner Heldin Simone im »Netz der Meister«, fast versumpfe ich im Internet.
    Außerdem will ich noch andere Bücher schreiben, deswegen kann und darf ich mich nicht auf das SM-Genre festlegen oder festlegen lassen.
    Um mich von der ewigen Erotik abzulenken, habe ich in den vergangenen Monaten ein paar Satiren geschrieben, nur so für mich, quasi zum Abreagieren. Die Texte sind nicht mehr so wie in meinem frühen Satireband, der damals beim Kajaki-Verlag erschien und dessen Rechte wieder bei mir liegen. Inzwischen habe ich die Figur »Maria Jesse« erfunden und ihr lasse ich alle möglichen Dinge passieren.
    Martin liebt diese Geschichten und er liebt die Art, wie ich sie ihm zu Hause vortrage. Er hat schon vor ein paar Monaten gesagt, ich solle ein Buch daraus machen.
    Ich weiß nicht. Wer will das wissen? Wer soll das verlegen?
    Ab und zu lese ich die Geschichten von »Jesses Maria« beim Kölsch im Freundeskreis vor. Alle sind begeistert.
    Eines Tages, es ist Mai, fällt mir in einer dieser Runden ein Mann auf, den ich hier bisher noch nie gesehen habe. Er wischt sich Lachtränen aus den Augenwinkeln. Nachher kommt er auf mich zu, stellt sich als Leiter eines kleinen Theaters vor und engagiert mich vom Fleck weg für eine Lesung im Oktober.
    Und nun mache ich wirklich ein Buch aus diesen Geschichten von Maria Jesse, und ich bringe es selbst raus.
    Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass ein Verlag diese Satiren kauft. Vielleicht traue ich mir auch die Ochsentour der

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