Vom Kämpfen und vom Schreiben
Verlagssuche nicht zu, aber ich kann mir immerhin vorstellen, dass ich weitere Lesungen bekomme. Um Lesungen zu bekommen, muss ich ein Buch haben.
Jede Geschichte überarbeite ich immer wieder, und ich sortiere und ordne, was mir an Sätzen, Szenen und Ereignissen begegnet ist und auf gelben Notizzetteln an meiner Pinnwand landet. Eins hab ich jetzt verinnerlicht: Es sind die Details, die den Satiren den Schliff geben, die scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten im Verhalten der Menschen oder in ihrem Alltag. Ich hätte das schon früher erkennen müssen, damals, als ich aus dem ersten Satireband vorlas und die Leute immer lauthals lachten, wenn ich den Schaumgummi-Schmetterling beschrieb, der als Tropfenfänger an einer Teekanne hing.
Ich entscheide mich für die Veröffentlichung bei Books on Demand: Das Prinzip ist, dass jedes Buch erst unmittelbar nach der Bestellung gedruckt wird. Es entfallen Lager-, Vertriebs- und Finanzierungskosten und es wird keine klassische Auflage hergestellt.
Martin besorgt sich ein spezielles Computerprogramm und kümmert sich um den Satz. Ich entscheide mich für den Titel »Jesses Maria – Kulturschock«, denn die Texte befassen sich mit dem Thema »Kultur«. Und weil es die Geschichten einer ganz normalen Frau sind, will ich als Cover ein ganz alltägliches Motiv. Ein paar Tage lang laufe ich durch die Gegend und fotografiere, was mir vor die Linse kommt, irgendwo wird genau das richtige Motiv für das Cover dabei sein, da bin ich sicher.
Es kommt mir vor, als würde mich die Stadt mit Rechtschreibfehlern erschlagen: Am Zülpicher Platz gibt es halbe »Hähnschen«, beim Italiener an der Dürener kann ich »Entrecot« oder »Spageti« essen und in der Schildergasse »Blazers« erwerben. Am Rudolfplatz weist ein Transparent darauf hin, dass es dort »Belegtebrötchen« gibt. Am Sachsenring kostet eine Pizza drei »Euros« – im Vorbeigehen lese ich »Eros«. Die Post wirbt mit Wörtern wie »großartICH«. In einer Bäckerei nahe der Hohe Straße sehe ich das Schild: »Morgen Latte – – 1,99 €«
Schließlich gelingt es mir, mich wieder auf den Grund für meine Ausflüge zu konzentrieren. Aus dem Foto von einer Blumenwiese bastelt Martin eine Collage mit einem Gartenzaun. Der Zaun ist für mich das Symbol für Kleinbürgertum und Doppelmoral. Das Cover ist fertig, der Titel steht fest, nun muss der Klappentext her.
Ich hasse Klappentexte und sitze tagelang daran. Neugierig muss er machen, alles und nichts verraten, kurz und knackig sein. Dann ist er endlich fertig und deutet an, dass Maria Jesse eine ganz normale Frau mit ganz normalen Ansichten ist, dass sie gern zu Begräbnissen und anderen kulturellen Ereignissen geht und schwule Männer trotzdem nett findet.
Im September 2008, einen Monat nach Erscheinen des Romans »Im Netz der Meister 2«, halte ich den Satireband »Jesses Maria — Kulturschock« in der Hand. Grün und glänzend, von vorn bis hinten selbst gemacht, mein siebter Titel, der dritte unter dem Namen Carla Berling.
Es ist immer wieder herrlich, ein neues, eigenes Buch in der Hand zu halten, daran zu riechen, über das Cover zu streichen, darin zu blättern, es querzulesen.
Gut. Das Buch ist jetzt lieferbar, es hat eine ISBN, es ist im Verzeichnis lieferbarer Bücher gelistet und im Internet bestellbar.
Und wer soll das jetzt kaufen? Es weiß ja niemand davon.
Das war natürlich klar, wenn ich mich für Books on Demand entscheide, dass ich das Marketing selbst übernehmen muss. Na und? Das habe ich bisher doch immer selbst gemacht, auch wenn ich bei ordentlichen Kleinverlagen verlegt wurde, also muss ich die Ärmel hochkrempeln und loslegen.
Ich schreibe mich im Internet in etlichen Foren ein, habe Profile bei Facebook, Xing, Twitter, Brigitte und ziehe wieder mein Guerillamarketing durch: Klicks, Links, Mails, Anfragen wegen Lesungen.
Es ist mühsam und zeitaufwändig, aber nach drei Monaten habe ich fünfhundert Bücher verkauft. Meine Kalkulation: Jeder Leser erzählt es zwei anderen. Die klappt aber nicht ganz. Der Verkauf stagniert. Ich muss mir mehr einfallen lassen. Ich muss noch präsenter im Netz werden.
Deshalb biete ich auf meiner Homepage einen Newsletter an, der nach wenigen Wochen sechshundert Empfänger hat. Um Lesungen zu bekommen, schreibe ich etwa dreihundert Bewerbungen im Jahr. Die zweihundertachtzig Absagen halte ich aus.
Auf den Lesungen sind meine Zuschauer immer wieder begeistert von meiner Stimme, und ich werde oft gefragt,
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