Vom Kämpfen und vom Schreiben
leben. Meine Einnahmen werden von der Arbeitslosenhilfe abgezogen.
Inzwischen bin ich vier Jahre arbeitslos, aber weil ich die Zeit genutzt habe, um mich weiterzubilden und zu schreiben, war es keine verlorene Zeit.
Hardy und ich sind seit ein paar Monaten geschieden. Als wir das Amtszimmer im Gericht damals Arm in Arm verließen, hat der Richter etwas irritiert geguckt. Hardy und ich sind dann in die Stadt gefahren und haben uns von einundzwanzig Jahren Ehe und einem turbulenten gemeinsamen Leben verabschiedet – mit stundenlangen Gesprächen, aber auch mit vielen Tränen.
Im Dezember 2007 heirate ich zum zweiten Mal, Martin, meinen Lebensgefährten. Der erste, der uns zur Hochzeit gratuliert, ist Hardy.
Martin ist mein Gegenteil, mein Fels, ein besonnener, souveräner Mensch, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Wir ergänzen uns gut, es ist eine gewachsene, ruhige Liebe, ein Geschenk des Himmels, das ich zu schätzen weiß. Er ist nicht reich, aber er hat einen sicheren Job, der uns beide ernähren kann. Die Zeit meiner Existenzangst scheint vorüber zu sein.
Meine Entscheidung, Martin zu heiraten, hat auch mit dem Arbeitsamt zu tun. Ich will keine Rechenschaft mehr ablegen, keine Anträge mehr stellen, keine Absagen auf sinnlose Pflichtbewerbungen mehr aushalten müssen. Martin versteht das. Er verspricht mir: »Ich sorge für unseren Lebensunterhalt und du sorgst mit deinen Büchern für ein bisschen Luxus.«
Ich melde mich beim Arbeitsamt ab. Und jetzt bin ich frei.
Jeden Tag arbeite ich in dem SM-Forum und sammle Kontakte. Ich schreibe Stammtische an, setze mich mit Location-Betreibern, Magazinen und Partyveranstaltern in Verbindung und bemühe mich unermüdlich um Lesungen. Es gibt inzwischen gute Pressestimmen, die ich zur Werbung nutze.
Meine Verkaufsränge im Internetbuchhandel sind vierstellig, das ist großartig. Ein erotisches Buch wie »Im Netz der Meister« wird hauptsächlich online gekauft, das ist mir klar. Leider bekomme ich für ein Buch, das über den Internetanbieter verkauft wird, nur zehn Prozent von fünfzig Prozent des Nettoladenpreises, also – ein paar Cent.
Jeden Mittwoch fahren Martin und ich nach Köln zum Stammtisch. »Im Netz der Meister« verkauft sich weiterhin gut.
Allerdings passiert etwas, womit ich nicht gerechnet habe: Man identifiziert mich mit meiner Protagonistin. Das macht mich einerseits wütend, und die Frage, ob ich das alles »nur« erfunden oder selbst erlebt habe, beantworte ich mit einem Maxim-Gorki-Zitat: »Man muss nicht in der Bratpfanne gelegen haben, um über ein Schnitzel zu schreiben.«
Außerdem denke ich darüber nach, ob man mir die Frage auch stellen würde, wenn ich blutrünstige Krimis schriebe. Andererseits nehme ich es als Kompliment, denn offenbar schreibe ich so glaubwürdig, dass es den Lesern real erscheint.
Ein paar Monate nach Erscheinen des Romans telefoniere ich mit meiner Verlegerin vom Seitenblick-Verlag. Sie ist zufrieden mit dem Umsatz.
Es gibt viele positive Reaktionen der Leser. Sie schreiben Mails, posten Rezensionen im Internet, schreiben an den Verlag. Häufig wird nach einer Fortsetzung gefragt. Erst denke ich, dass ich das nicht kann, aber dann habe ich doch eine Idee, wie es »Im Netz der Meister« weitergehen könnte. Ich mache mich an die Arbeit.
Inzwischen habe ich gelernt, mich zu organisieren, täglich ein bestimmtes Pensum zu planen und es auch zu schaffen. Mein Trick, um auf »Arbeit« umzuschalten: Ich höre mit Kopfhörern so laute Musik, dass ich nichts anderes mehr höre. Kein Telefon, kein Klingeln, nichts. So blende ich alles aus und konzentriere mich auf den Text. Für »Im Netz der Meister 2« habe ich mir eine Playlist erstellt, die genau vier Stunden läuft. Jeden Tag, wenn ich den Kopfhörer aufsetze und das erste Lied beginnt, »Via con me« von Paolo Conte, ist das wie ein Schalter, den ich im Gehirn umlege, und das Schreiben geht wie von selbst. Innerhalb von acht Monaten ist der zweite Band fertig.
Während ich noch an der Fortsetzung arbeite, bewerbe ich das neue Buch selbstverständlich schon bei jeder Lesung aus dem ersten Teil, und meine Rechnung geht auf: Wo ich schon einmal war, werde ich erneut engagiert.
Sechs Monate im Voraus plane ich nun meine Lesungen, und dieses Jahr werde ich sogar nach Wien eingeladen.
»Im Netz der Meister 2« erscheint im August 2008, und wir feiern eine Premierenlesung mit fast hundert Leuten in einem Kölner Lokal. Dass Hardy mit seiner neuen
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