Vom Kämpfen und vom Schreiben
Lesungen, und danach melden sich weitere Stammtische und fragen nach meinen Konditionen. Ich lese nach Bonn und Köln in Bochum, Essen, Düsseldorf, Duisburg, Hannover und Aachen.
Geld für die Lesungen bekomme ich nur selten, aber mir wird wenigstens das Fahrgeld erstattet. Der Verlag räumt mir einen fairen Autorenrabatt ein, sodass ich die Bücher im Koffer mitnehmen und vor Ort mit ein bisschen Gewinn verkaufen kann.
Einmal lädt mich ein Magdeburger Stammtisch ein. Man sichert mir zweihundert Euro Honorar und Fahrtkostenübernahme zu, übernachten kann ich im Gästezimmer der Stammtisch-Leiterin Bärbel. Endlich werde ich für meine Arbeit bezahlt.
Die Bahnfahrt kostet um die hundertdreißig Euro. Weil ich diese Summe nicht auslegen kann, schickt mir Bärbel ein Onlineticket per E-Mail.
Als ich im Zug kurz hinter Köln kontrolliert werde und das Ticket vorzeige, stellt sich heraus, dass immer nur der damit reisen kann, auf dessen Namen es ausgestellt ist. Meines aber ist auf den Namen des Partners der Veranstalterin ausgestellt. Ich gelte nun als Schwarzfahrer, was mir peinlich und mit viel Aufmerksamkeit der Mitreisenden verbunden ist.
Die Schaffnerin erklärt mir geduldig und freundlich das Procedere der Onlinetickets. Dass die Fahrkarte dem Konto des Buchenden belastet wurde und somit bezahlt ist, spielt keine Rolle. Geld, um ein reguläres Ticket nachzulösen, habe ich nicht, also lässt man mich mehrere Formulare ausfüllen, kopiert meinen Personalausweis, ich darf aber immerhin weiterfahren.
Der Zug hat Verspätung, sodass ich in Hannover den Anschluss verpasse und eine Stunde später abfahre. Ich komme also eine Stunde später in Magdeburg an. Bärbel und ihr Sklave holen mich am Bahnhof ab und bringen mich zu der Gaststätte, in der ich lesen soll. Trotz der Verspätung bin ich noch pünktlich, dennoch wird diese Verspätung später eine Rolle spielen.
Es ist nur mäßig voll, plötzlicher Eisregen sei daran schuld, meint Bärbel. Sie ist so nett, die Bücher nach der Lesung für mich zu verkaufen, während ich mit den Zuschauern plaudere und die Bücher signiere. Dreißig Stück habe ich dabei, und sie werden alle verkauft. Bärbel guckt ein bisschen komisch, als sie mir über fünfhundert Euro aus dem Buchverkauf und zweihundert Euro Honorar gibt. Dann reden wir über das Bahnticket. Ihr Lebensgefährte will morgen mit zum Bahnhof kommen und die unangenehme Sache aufklären.
Tatsächlich kommt er mit und bezahlt am Schalter meine Rückfahrt. Wegen meines Schwarzfahrens sagt man uns am Schalter jedoch, müsse ich mich an eine andere Stelle wenden, hier könne man nichts machen, denn auf dem Ticketausdruck stände ja drauf, dass nur der, dessen Kontonummer angeben sei, damit reisen könne. Aber ich könne Einspruch einlegen. Bärbels Lebensgefährte versichert mir, dass er sich kümmern und mir kein Ärger entstehen würde.
Zwei Wochen später bekomme ich eine Rechnung der Deutschen Bahn über eine »Fahrt ohne gültigen Fahrausweis«. Ich soll das Fahrgeld und eine saftige Gebühr überweisen.
Bärbel in Magdeburg geht erst ans Telefon, als ich meine Nummer unterdrückt habe. Dann redet sie sich raus, das könne alles gar nicht sein. Das sei alles bezahlt. Sie werde sich aber kümmern.
Ein paar Wochen später bekomme ich eine Mahnung der Bahn.
Nachdem Bärbel sich am Telefon wieder doof stellt, logge ich mich in das Onlineforum des Stammtischs ein. Eine Zuhörerin, die während der Lesung in Magdeburg begeistert war und mit der ich mir seither Mails schreibe, hat mir das Passwort für diese interne Gruppe gegeben.
Dort lese ich, dass man mir die Schuld gibt an dem Dilemma mit dem Ticket: Ich sei in den falschen Zug gestiegen und zu dämlich zum Zugfahren, schreibt die Bärbel.
Ich bin erschüttert und maile der netten Frau, dass es nicht meine Schuld war, dass ich mit dem Ticket nicht reisen durfte und dass ich die Verspätung des Zuges nicht verschuldet habe. Ich schicke ihr Fotos von den Briefen der Bahn und erkläre die Verspätung, mit der ich angekommen bin, noch einmal. Die Frau überweist mir spontan aus eigener Tasche hundert Euro. Das beeindruckt mich und sorgt dafür, dass ich wieder an das Gute im Menschen glaube.
Ab diesem Zeitpunkt verlange ich grundsätzlich Geld für meine Arbeit und bekomme es auch: Es gibt Lesehonorare zwischen hundert und zweihundert Euro plus Anreise und Übernachtung. Da ich aber nicht jede Woche oder jeden Monat eine Lesung habe, kann ich nicht davon
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