Vom Kriege
entscheiden, so ist die strategische Dauer vorüber, es schwindet alles in dem einen Moment der Schlacht zusammen, und damit endigen und verschwinden die Zwecke der geteilten Aufstellung. Wenn die Schlacht sich eröffnet, so hört die Rücksicht auf Quartier und Verpflegung auf; die Beobachtung des Feindes auf Front und Seiten und die Verminderung seiner Schnellkraft durch einen mäßigen Gegendruck hat sich erfüllt, und es wendet sich nun alles zu der großen Einheit der Hauptschlacht hin. Ob dem so sei, die Verteilung nur als die Bedingung, als das notwendige Übel, vereintes Schlagen aber als der Zweck der Aufstellung gedacht worden, ist das beste Kriterium von ihrem Werte.
Siebentes Kapitel: Avantgarde und Vorposten
Es gehören diese beiden Gegenstände zu denjenigen, in welche die taktischen und die strategischen Fäden gemeinschaftlich hineinlaufen. Auf der einen Seite muß man sie zu den Anordnungen zählen, welche dem Gefecht seine Gestalt geben und die Ausführung der taktischen Entwürfe sichern, anderenteils veranlassen sie häufig selbständige Gefechte und sind durch ihre von dem Hauptkorps mehr oder weniger entfernte Aufstellung als Glieder in der strategischen Kette zu betrachten, und eben diese Aufstellung ist es, welche uns veranlaßt, zur Ergänzung des vorigen Kapitels einen Augenblick bei ihnen zu verweilen.
Jede Truppe, welche nicht vollkommen schlachtfertig ist, bedarf einer Vorhut, um des Feindes Anrücken zu erfahren und zu erforschen, bevor sie ihn selbst ansichtig wird, denn der Gesichtskreis reicht in der Regel nicht viel weiter als der Wirkungskreis der Waffen. Was wäre aber ein Mensch, dessen Augen nicht weiter reichten als seine Arme! Die Vorposten sind die Augen des Heeres, hat man schon früher gesagt. Aber das Bedürfnis ist nicht immer dasselbe, es hat seine Grade. Stärke und Ausdehnung, Zeit, Ort, Umstände, Kriegsart, ja der Zufall hat Einfluß darauf, und so können wir uns nicht wundern, wenn der Gebrauch von Avantgarde und Vorposten in der Kriegsgeschichte nicht in bestimmten und einfachen Umrissen, sondern in einer Art Unordnung der mannigfaltigsten Fälle erscheint.
Bald sehen wir die Sicherheit des Heeres einem bestimmten Korps der Avantgarde anvertraut, bald einer langen Linie einzelner Vorposten; bald findet sich beides zusammen, bald ist weder von dem einen, noch dem andern die Rede; bald ist die Avantgarde den vorrückenden Kolonnen gemeinschaftlich, bald hat jede ihre eigene. Wir wollen versuchen, uns den Gegenstand klar vorzustellen und dann sehen, ob er sich auf wenige Grundsätze für die Anwendung zurückführen läßt.
Ist die Truppe in Bewegung, so bildet ein mehr oder weniger starker Haufe ihre Vorhut, nämlich die Avantgarde, welche, im Fall die Bewegung rückwärts geschieht, zur Arrieregarde wird. Ist die Truppe in Quartieren oder Lagern, so bildet eine ausgedehnte Linie schwacher Posten ihre Vorhut, die Vorposten. Es liegt nämlich in der Natur der Dinge, daß beim Stehen ein größerer Raum gedeckt werden kann und gedeckt werden muß als bei der Bewegung, so daß also in dem einen Fall der Begriff einer Postenlinie, in dem andern der eines vereinigten Korps von selbst entsteht.
Die Avantgarde sowohl wie die Vorposten haben ihre Grade innerer Stärke von einem aus allen Waffen zusammengesetzten beträchtlichen [282] Korps bis zu einem Husarenregiment, und von einer starken und verschanzten, aus allen Waffen bestehenden Verteidigungslinie bis zu bloßen aus dem Lager vorgesandten Feldwachen und Piketts. Die Wirkungen solcher Vorhut gehen also von der bloßen Beobachtung zum Widerstand über, und dieser Widerstand ist nicht nur geeignet, dem Korps die Zeit zu verschaffen, welche es braucht, um sich schlachtfertig zu machen, sondern auch des Feindes Maßregeln und Absichten zu einer früheren Entwicklung zu bringen, folglich die Beobachtung bedeutend zu steigern.
Je nachdem also eine Truppe mehr oder weniger Zeit braucht, je nachdem ihr Widerstand mehr oder weniger auf die besonderen Anordnungen des Feindes berechnet sein und danach eingerichtet werden soll, um so mehr bedarf sie einer stärkeren Avantgarde und stärkerer Vorposten.
Friedrich der Große, welcher der schlachtfertigste aller Feldherren genannt werden kann, und welcher sein Heer fast mit dem bloßen Kommandowort in die Schlacht führte, bedurfte keiner starken Vorposten. Wir sehen ihn daher sich stets dicht unter die Augen des Feindes lagern und hier durch ein Husarenregiment, dort durch
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