Vom Kriege
Zeitabschnitte marschieren lassen wollte, so würde das Ende dieser Kolonne mit ihrer Spitze niemals an demselben Tage eintreffen; man würde entweder ungewöhnlich langsam vorrücken müssen, oder die Masse würde, wie ein fallender Wasserstrahl in Tropfen, auseinanderreißen, und dieses Auseinanderreißen, [294] verbunden mit der übermäßigen Anstrengung, welche die Länge der Kolonne für die hintersten zur Folge hat, würde bald alles in Wirrwarr auflösen.
Von diesem Extrem nun hinunter wird der Marsch immer um so leichter und genauer, je kleiner die Masse der Truppen ist, die sich in einer Kolonne befindet. Daraus entsteht also ein Bedürfnis der Teilung, welches nichts mit derjenigen Teilung zu tun hat, die von der geteilten Aufstellung herrührt, so daß die Teilung in Marschkolonnen zwar im allgemeinen, aber nicht in jedem besonderen Fall aus der Aufstellung hervorgeht. Eine große Masse, die man auf einen Punkt vereint aufstellen will, muß man notwendig im Marsch teilen. Aber selbst dann, wenn eine geteilte Aufstellung einen geteilten Marsch veranlaßt, können bald die Bedingungen der Aufstellung, bald die des Marsches vorherrschen. Ist z. B. die Aufstellung eine bloße Rast, kein Gefecht in derselben zu erwarten, so herrschen die Bedingungen des Marsches vor, und diese Bedingungen bestehen hauptsächlich in der Wahl guter und gebahnter Straßen. Diese Verschiedenheit im Auge habend, wird man in dem einen Fall die Wege der Quartiere und Lager wegen, in dem andern die Quartiere und Lager der Straße wegen wählen. Wo man eine Schlacht erwartet, und es darauf ankommt, den passenden Punkt mit einer Truppenmasse zu erreichen, da trägt man keine Bedenken, dieselben nötigenfalls durch die schwierigsten Seitenwege dahin gelangen zu lassen; befindet man sich dagegen mit dem Heere gewissermaßen noch auf der Reise zum Kriegstheater, so werden die nächsten großen Straßen für die Kolonnen gewählt, und Quartiere und Lager, so gut es gehen will, in ihrer Nähe aufgesucht.
Zu welcher der beiden Arten der Marsch auch gehören mag, so ist es ein allgemeiner Grundsatz der neueren Kriegskunst: überall, wo nur die Möglichkeit eines Gefechts denkbar ist, d. h. in dem ganzen Bereich des eigentlichen Krieges, die Kolonnen so einzurichten, daß die darin enthaltene Truppenmasse zu einem selbständigen Gefecht geeignet ist. Diese Bedingung wird erfüllt durch die Verbindung der drei Waffen, durch eine organische Einteilung des Ganzen und durch die gehörige Bestellung des Oberbefehls. Es sind also hauptsächlich die Märsche, welche die neuere Schlachtordnung veranlaßt haben, und welche den größten Nutzen von ihr ziehen.
Als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, besonders auf dem Kriegstheater Friedrichs II., man anfing, die Bewegung als ein eigenes Prinzip des Schlagens anzusehen und den Sieg durch den Einfluß unvermuteter Bewegungen an sich zu reißen, machte der Mangel einer organischen Schlachtordnung die künstlichsten und schwerfälligsten Anordnungen in den Märschen notwendig. Um in der Nähe des Feindes eine Bewegung auszuführen, mußte man immer zum Schlagen bereit sein; man war aber dazu nicht bereit, wenn nicht die Armee beisammen war, weil nur die Armee ein Ganzes ausmachte. Das zweite Treffen mußte bei Seitenmärschen, um immer in einer erträglichen Entfernung, d. h. nicht über eine Viertelmeile vom ersten sich [295] zu befinden, mit Not und Mühe und mit einem großen Aufwand von Lokalkenntnis über Stock und Block geführt werden; denn wo findet man auf eine Viertelmeile zwei gebahnte Wege parallel nebeneinander herlaufen? Eben die Umstände traten ein für die Flügelkavallerie, wenn man senkrecht auf den Feind marschierte. Neue Not war mit der Artillerie, die ihre eigene durch die Infanterie gedeckte Straße brauchte, weil die Infanterietreffen ununterbrochene Linien bilden sollten, und die Artillerie ihre langen, schleppenden Kolonnen noch schleppender gemacht und alle Distanzen in Unordnung gebracht haben würde. Man lese nur die Marschdispositionen in Tempelhoffs Geschichte des Siebenjährigen Krieges, um sich von allen diesen Umständen und von den Fesseln zu überzeugen, welche dadurch dem Kriege angelegt wurden.
Seitdem aber die neuere Kriegskunst dem Heere eine organische Einteilung gegeben, wobei die Hauptteile als kleine Ganze zu betrachten sind, die im Gefecht alle Wirkungen des großen Ganzen hervorbringen können mit dem einzigen Unterschied, daß ihr Wirken von kürzerer
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