Vom Kriege
Dauer ist, seitdem ist man, selbst da, wo man ein vereintes Schlagen beabsichtigt, nicht mehr genötigt, die Kolonnen in dem Maße nahe beieinander zu haben, daß sich alle vor Anfang des Gefechts vereinigen können, sondern es ist hinreichend, wenn diese Vereinigung im Lauf des Gefechts statthat.
Je kleiner eine Truppenmasse ist, um so leichter ist sie zu bewegen, um so weniger bedarf es derjenigen Teilung, die nicht eine Folge der geteilten Aufstellung, sondern der Unbehilflichkeit der Masse ist. Ein kleiner Haufe marschiert also in einer Straße, und soll er auf mehreren Linien vorgehen, so finden sich leicht Wege nahe beieinander, gut genug für sein Bedürfnis. Je größer die Massen werden, um so größer wird das Bedürfnis der Teilung, die Anzahl der Kolonnen und das Erfordernis gebahnter Wege oder gar großer Straßen, folglich auch die Entfernung der Kolonnen untereinander. Mit diesem Bedürfnis der Teilung steht nun die Gefahr derselben, arithmetisch gesprochen, in umgekehrtem Verhältnis. Je kleiner die Teile sind, um so eher müssen sie einander beispringen; je größer, um so länger können sie sich selbst überlassen bleiben. Wenn man sich nur dessen erinnert, was im vorigen Buch hierher Gehöriges gesagt worden ist, und bedenkt, daß in kultivierten Gegenden sich auf einige Meter Entfernung von der Hauptstraße immer ziemlich gebahnte, parallel laufende Wege finden werden, so wird man leicht einsehen, daß in der Anordnung des Marsches sich keine sehr großen Schwierigkeiten finden, die ein schnelles Vorschreiten und genaues Zutreffen mit der gehörigen Vereinigung der Kräfte unverträglich machte. - In Gebirgen, wo der parallelen Straßen am wenigsten und die Verbindungen derselben untereinander am schwierigsten sind, ist auch die Widerstandsfähigkeit einer einzelnen Kolonne sehr viel größer.
Um uns des Gegenstandes klarer bewußt zu werden, wollen wir denselben einen Augenblick in konkreter Gestalt betrachten.
[296] Eine Division von 8000 Mann nimmt mit ihrer Artillerie und einigem andern Fuhrwerk nach der Erfahrung in gewöhnlichen Fällen den Raum einer Stunde ein; wenn also zwei Divisionen auf einer Straße ziehen, so kommt die zweite eine Stunde nach der ersten an; nun ist aber, wie wir im sechsten Kapitel des vierten Buches schon gesagt haben, eine Division von solcher Stärke wohl imstande, auch gegen einen überlegenen Feind das Gefecht mehrere Stunden zu unterhalten, und es würde also die zweite Division, selbst im unglücklichsten Fall, wenn nämlich die erste genötigt worden wäre, das Gefecht augenblicklich zu beginnen, nicht zu spät kommen. Ferner wird man innerhalb einer Stunde rechts und links der Straße, auf welcher man marschiert, in den kultivierten Ländern Mitteleuropas meistens auch Seitenwege finden, welche man für den Marsch benutzen kann, ohne, wie das im Siebenjährigen Kriege so oft geschah, querfeldein zu marschieren.
Ferner ist es aus der Erfahrung bekannt, daß ein Heer von 4 Divisionen und einer Kavalleriereserve einen Marsch von 3 Meilen, selbst auf nicht guten Wegen, mit der Spitze in 8 Stunden zurückzulegen pflegt; rechnen wir nun für jede Division eine Stunde Tiefe und ebensoviel für die Kavallerie- und Artilleriereserve, so wird der ganze Marsch 13 Stunden dauern. Dies ist keine übermäßige Zeitlänge, und doch würden in diesem Fall an 40000 Mann auf derselben Straße marschiert sein. Bei dieser Masse aber kann man die Nebenwege noch weiter suchen und benutzen, folglich den Marsch leicht abkürzen. Wäre die Masse der Truppen, welche auf einer Straße ziehen sollte, noch größer als die obige, so würde auch schon der Fall eintreten, daß die Ankunft derselben an ein und demselben Tage nicht mehr unerläßlich wäre; denn solche Massen liefern sich jetzt die Schlachten niemals in der ersten Stunde des Zusammentreffens, und gewöhnlich erst am folgenden Tage.
Wir haben diese konkreten Fälle angeführt, nicht um die Verhältnisse derart zu erschöpfen, sondern um deutlicher zu werden und mit diesem Blick in die Erfahrung zu zeigen, daß bei der jetzigen Kriegführung die Einrichtung der Märsche keine so große Schwierigkeiten mehr darbietet; daß die schnellsten und genauesten Märsche nicht mehr eine eigene Kunst und eine so genaue Landeskenntnis erfordern, wie dies im Siebenjährigen Kriege bei den schnellen und genauen Märschen Friedrichs des Großen der Fall war; vielmehr machen sie sich jetzt vermittelst der organischen Einteilung des
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