Vom Kriege
großer moralischer Kräfte, - eine natürliche Überlegenheit hat. Wir halten es für nützlich, hier noch einen Blick auf den Umfang derjenigen Mittel zu werfen, welche dem Verteidiger vorzugsweise zu Gebote stehen, und gewissermaßen als die verschiedenen Säulenordnungen seines Baues zu betrachten sind.
1. Die Landwehr. Sie ist in neueren Zeiten auch außer dem Lande zum Angriff des feindlichen Landes gebraucht worden, und es ist nicht zu leugnen, daß ihre Einrichtung in manchen Staaten, z. B. Preußen, von der Art ist, daß sie fast wie ein Teil des stehenden Heeres betrachtet werden muß, also der Verteidigung nicht allein angehört. Indessen ist doch nicht zu übersehen, daß ihr sehr kräftiger Gebrauch 1813, 1814 und 1815 von dem Verteidigungskriege ausging, daß sie an den wenigsten Orten wie in Preußen eingerichtet, bei jedem unvollkommenen Grade der Einrichtung aber notwendig mehr zur Verteidigung als zum Angriff geeignet sein muß. Außerdem aber liegt in dem Begriff der Landwehr immer der Gedanke einer außerordentlichen, mehr oder weniger freiwilligen Mitwirkung der ganzen Volksmasse beim Kriege mit ihren körperlichen Kräften, ihrem Reichtum und ihrer Gesinnung. Je mehr sich die Einrichtung davon entfernt, um so mehr wird das, was sie aufstellt, ein stehendes Heer unter anderem Namen sein, um so mehr wird es die Vorteile desselben haben, aber auch um so mehr die Vorteile der eigentlichen Landwehr entbehren, nämlich eines Kraftumfanges, der viel ausgedehnter, viel weniger bestimmt, viel leichter durch Geist und Gesinnung zu steigern ist. In diesen Dingen liegt das Wesen der Landwehr; dieser Mitwirkung des ganzen Volkes muß durch die Linien ihrer Einrichtung Spielraum gelassen werden, oder man verfolgt, indem man sich von der Landwehr etwas Besonderes verspricht, ein Schattenbild.
Nun ist aber die nahe Verwandtschaft nicht zu verkennen, in welcher dieses Wesen einer Landwehr mit dem Begriff der Verteidigung steht, und also auch nicht zu verkennen, daß eine solche Landwehr der Verteidigung immer mehr angehören wird als dem Angriff, daß sie diejenigen Wirkungen, womit sie den Angriff überbietet, hauptsächlich bei der Verteidigung zeigen wird.
[355] 2. Festungen. Die Mitwirkung der Festungen des Angreifenden erstreckt sich nur auf die der Grenze zunächst gelegenen, und ist nur schwach; bei dem Verteidiger greift sie tiefer ins Land hinein, bringt also mehrere in Wirksamkeit, und diese Wirksamkeit selbst ist von einer ungleich größeren intensiven Stärke. Eine Festung, die eine wirkliche Belagerung veranlaßt und aushält, drückt natürlich mit einem stärkeren Gewicht auf die Waagschale des Krieges, als eine, welche durch ihre Werke bloß den Gedanken einer Wegnahme dieses Punktes entfernt, also nicht wirklich feindliche Kräfte beschäftigt und zerstört.
3. Das Volk. Obgleich der Einfluß eines einzelnen Bewohners des Kriegsschauplatzes auf den Krieg in den meisten Fällen nicht bemerklicher ist, als die Mitwirkung eines Wassertropfens bei dem ganzen Strom, so ist doch, selbst in Fällen, wo von gar keinem Volksaufstand die Rede ist, der Gesamteinfluß, den die Einwohner des Landes auf den Krieg haben, nichts weniger als unmerklich. Alles geht im eigenen Lande leichter, vorausgesetzt, daß die Gesinnung der Untertanen nicht im Widerspruch mit diesem Begriff ist. Alle Leistungen, groß und klein, geschehen dem Feinde nur unter dem Zwange offenbarer Gewalt; diese muß von der Streitkraft bestritten werden, und kostet ihr eine Masse von Kräften und Anstrengungen. Der Verteidiger erhält dies alles, wenn auch nicht eigentlich freiwillig, wie in den Fällen enthusiastischer Hingebung, doch durch die langgeübten Wege des bürgerlichen Gehorsams, der dem Einwohner zur zweiten Natur geworden ist, und außerdem durch ganz andere, vom Heere nicht ausgehende, viel entfernter liegende Furcht- und Zwangsmittel in Gang erhalten wird. Aber auch die freiwillige, aus wahrer Anhänglichkeit hervorgehende Mitwirkung ist in allen Fällen sehr bedeutend, insofern sie nämlich, in allen den Punkten, die keine Opfer kosten, niemals ausbleibt. Wir wollen nur einen dieser Punkte herausheben, welcher von großer Bedeutung für die Kriegführung ist; es sind die Nachrichten. Nicht sowohl die einzelnen großen, wichtigen Kundschafternachrichten, als die unzählige Masse von kleinen Berührungen, in welche der tägliche Dienst eines Heeres mit der Ungewißheit tritt und wo das Verständnis mit den Einwohnern den
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