Vom Kriege
Schutz hinter Hindernissen des Bodens suchte, und da gab es denn kein so allgemeines und wirksames wie den Gebirgsboden. Man suchte also das Heer mit einem tüchtigen Bodenabschnitt gewissermaßen zu kopulieren. Beide machten dann gemeinschaftliche Sache. Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon. So gewann die passive Verteidigung durch eine Gebirgsgegend einen hohen Grad von Stärke, und es war in der Sache selbst noch kein Übel enthalten, als daß man die Freiheit der Bewegung noch mehr verlor, von der man aber ohnehin keinen sonderlichen Gebrauch zu machen wußte.
Wo zwei feindliche Systeme aufeinander einwirken, da zieht die preisgegebene Seite, d. i. die Schwäche des einen immer die Stöße des andern auf sich. Steht der Verteidiger in Posten, die an sich fest und unüberwindlich sind, starr und wie angenagelt fest, so wird der Angreifende im Umgehen dadurch dreist gemacht, weil er für seine eigenen Seiten nichts mehr zu besorgen hat. Dies geschah - das sogenannte Tournieren kam bald an die Tagesordnung; ihm zu begegnen, dehnten sich die Stellungen immer mehr und mehr aus, sie wurden dafür in der Front gehörig geschwächt und der Angriff wandte sich plötzlich auf die entgegengesetzte Seite: statt durch Ausdehnung zu überflügeln, vereinigte er seine Massen gegen einen Punkt und zersprengte die Linie. Auf diesem Punkte ungefähr hat sich die Gebirgsverteidigung der neuesten Kriegsgeschichte befunden.
Der Angriff hatte also wieder ein vollkommenes Übergewicht errungen, und zwar durch die immer mehr ausgebildete Beweglichkeit; nur in dieser [408] konnte die Verteidigung Hilfe suchen; der Beweglichkeit aber ist der Gebirgsboden seiner Natur nach entgegen, und es hat daher, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, die ganze Gebirgsverteidigung eine Niederlage erlitten, der ähnlich, welche die in ihr befangenen Heere im Revolutionskrieg so oft erfahren haben.
Damit wir aber das Kind nicht mit dem Bade verschütten und uns mit dem Strom der Gemeinsprüche zu Behauptungen fortreißen lassen, die im wirklichen Leben tausendmal durch die Gewalt der Umstände widerlegt werden: müssen wir die Wirkungen der Gebirgsverteidigung nach der Natur der Fälle unterscheiden.
Die Hauptfrage, welche hier zur Entscheidung kommt, und die über den ganzen Gegenstand das Hauptlicht verbreitet, ist, ob der Widerstand, welchen man mit der Gebirgsverteidigung beabsichtigt, ein relativer oder ein absoluter sein, ob er nur eine Zeitlang dauern oder mit einem entschiedenen Siege endigen soll. Für den Widerstand der erstern Art ist der Gebirgsboden im höchsten Grade geeignet, er trägt ein sehr großes Prinzip der Verstärkung hinein; für den der letztern Art ist er es dagegen im allgemeinen gar nicht und nur in einigen besondern Fällen.
Im Gebirge ist jede Bewegung langsamer und schwieriger, sie kostet mithin mehr Zeit, und wenn sie in der Region der Gefahr gemacht wird, mehr Menschen. Aufwand von Zeit und Menschen machen aber das Maß des geleisteten Widerstandes aus. Solange also die Bewegungen allein die Sache des Angreifenden sind, solange hat der Verteidiger ein entschiedenes Übergewicht; sobald aber der Verteidiger das Prinzip der Bewegung auch anwenden soll, so hört dieser Vorteil auf. Nun liegt es in der Natur der Sache, d. h. in taktischen Gründen, daß ein relativer Widerstand eine viel größere Passivität zuläßt, als einer, der zur Entscheidung führen soll, und daß er erlaubt, diese Passivität bis aufs äußerste, d. h. bis ans Ende des Gefechts auszudehnen, welches in dem andern Falle niemals geschehen darf. Das erschwerende Element des Gebirgsbodens, welches, als ein dichteres Mittel, alle positiven Tätigkeiten schwächt, ist also ganz für ihn geeignet.
Daß ein kleiner Posten im Gebirge durch die Natur des Bodens eine ungewöhnliche Stärke bekommt, haben wir schon gesagt, wir müssen aber, obgleich dieses taktische Resultat sonst keines weiteren Beweises bedürfte, noch eine Erläuterung hinzufügen. Es ist nämlich hier die relative von der absoluten Kleinheit zu unterscheiden. Wenn ein Heerhaufe von irgendeiner Größe einen seiner Teile isoliert aufstellt, so ist dieser möglicherweise dem Angriff des ganzen feindlichen Heerhaufens, also einer überlegenen Macht ausgesetzt, gegen die er selbst klein ist. Da kann in der Regel kein absoluter, sondern nur ein relativer Widerstand der Zweck sein. Je kleiner der Posten im Verhältnis zu seinem eigenen und dem feindlichen Ganzen ist,
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