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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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hinten nach vorn schnell marschieren zu können, und selbst der taktische plötzliche Anfall wird durch die Unebenheit des Bodens geschwächt; zweitens fehlt die Übersicht der Gegend und der feindlichen Bewegungen. Der Gebirgsboden gewährt also hier dem Feinde dieselben Vorteile, die er uns in der Front gegeben hat, und lähmt die ganze bessere Hälfte des Widerstandes. Nun kommt noch ein Drittes hinzu: es ist die Gefahr, abgeschnitten zu werden. So sehr der Rückzug gegen den ganzen Druck in der Front durch den Gebirgsboden begünstigt wird, so viel Zeitverlust dieser dem Feinde verursacht, wenn er uns umgehen will: so sind doch das eben auch nur wieder Vorteile für den Fall des relativen Widerstandes, die auf den Fall einer entscheidenden Schlacht, d. h. eines Ausharrens bis aufs äußerste, keine Beziehung haben. Zwar wird es auch hier etwas länger dauern, bis der Feind mit seinen Flügelkolonnen die Punkte eingenommen hat, welche unsern Rückzug bedrohen oder geradezu sperren; hat er sie aber erreicht, so ist auch keine Hilfe dagegen mehr möglich. Keine Offensive von hinten her kann ihn aus den drohenden Punkten wieder vertreiben, kein verzweiflungsvolles Draufwerfen mit dem Ganzen ihn in den sperrenden überwältigen. Wer hierin einen Widerspruch findet und glaubt, es müßten die Vorteile, die der Angreifende im Gebirge hat, auch dem sich Durchschlagenden zugute kommen, der vergißt die Verschiedenheit der Umstände. Das Korps, welches den Durchgang streitig macht, hat nicht die Aufgabe einer absoluten Verteidigung, wenige Stunden Widerstand reichen wahrscheinlich hin; es ist also in dem Fall eines kleinen Postens. Außerdem befindet sich der Gegner nicht mehr im Besitz aller Streitmittel, [411] er ist in Unordnung, es fehlt an Munition usw. Es ist also in jedem Fall die Aussicht zum Erfolg sehr gering, und diese Gefahr macht, daß der Verteidiger diesen Fall mehr als alles fürchtet, diese Furcht aber wirkt zurück durch die ganze Schlacht und schwächt alle Fibern des ringenden Athleten. Es entsteht eine krankhafte Reizbarkeit auf den Flanken; und jede Handvoll Menschen, die der Angreifende auf einer waldigen Berglehne in unserm Rücken figurieren läßt, wird ihm ein neuer Hebel zum Siege.
    Diese Nachteile würden größtenteils verschwinden und alle Vorteile bleiben, wenn die Verteidigung des Gebirges in der vereinten Aufstellung des Heeres auf einem weiten Gebirgsplateau bestände. Hier könnte man sich eine sehr starke Front, sehr schwer zugängliche Flanken und doch die vollkommenste Freiheit in allen Bewegungen im Innern und im Rücken der Stellung denken. Eine solche Stellung wurde zu den stärksten gehören, die es gibt. Allein dies ist fast nur eine illusorische Vorstellung, denn obgleich die meisten Gebirge auf ihrem Rücken etwas zugänglicher sind als an ihren Abhängen, so sind doch die meisten Hochebenen der Gebirge entweder für diesen Zweck zu klein, oder sie führen den Namen nicht mit vollem Recht und mehr in einer geologischen als geometrischen Bedeutung.
    Ferner vermindern sich die Nachteile einer Defensivstellung im Gebirge für kleinere Heerhaufen, wie wir das schon angedeutet haben. Der Grund davon ist, weil sie weniger Raum einnehmen, weniger Rückzugsstraßen brauchen usw. Ein einzelner Berg ist kein Gebirge und hat nicht die Nachteile desselben. Je kleiner aber ein Heerhaufe wird, um so mehr wird sich seine Aufstellung auf einzelne Rücken und Berge beschränken und nicht nötig haben, sich in das vom Schleier der Wälder bedeckte Gewebe steiler Einschnitte zu verwickeln, welches die Quelle aller jener Nachteile ist.
Sechzehntes Kapitel: Fortsetzung
    Wir wenden uns jetzt zu dem strategischen Gebrauch der im vorigen Kapitel entwickelten taktischen Resultate.
    Wir unterscheiden hier folgende Beziehungen:
    1. Das Gebirge als Schlachtfeld.
    2. Den Einfluß, welchen sein Besitz auf andere Gegenden hat.
    3. Seine Wirkung als eine strategische Barriere.
    4. Die Rücksicht, die es beim Unterhalt verdient.
    [412] 1. In der ersten und wichtigsten Beziehung müssen wir wieder unterscheiden:
    a) Eine Hauptschlacht.
    b) Untergeordnete Gefechte.
    Wir haben im vorigen Kapitel gezeigt, wie wenig der Gebirgsboden dem Verteidiger in einer entscheidenden Schlacht günstig ist, und folglich wie sehr dem Angreifenden. Dies läuft der gewöhnlichen Meinung gerade entgegen; aber freilich, was wirft die gewöhnliche Meinung auch alles durcheinander, wie wenig unterscheidet sie die verschiedenartigsten

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