Vom Kriege
derselben. Vergleicht man nun diese Stärke der einzelnen Korps mit den Truppen, die der Feind während des Baues der Brücke durch anderweitige Mittel übergesetzt haben kann, so wird sich beurteilen lassen, ob an einen glücklichen Widerstand zu denken ist. Denn nur dann darf man annehmen, daß der Übergang nicht erzwungen werden kann, wenn es dem Verteidiger möglich ist, mit einer beträchtlichen Überlegenheit, also etwa dem Doppelten, die übergesetzten Truppen anzugreifen, ehe die Brücke vollendet ist. Ein Beispiel:
Braucht der Feind 24 Stunden zur Errichtung seiner Brücke, kann er in diesen 24 Stunden nicht mehr als 20000 Mann mit andern Mitteln übersetzen, und kann der Verteidiger innerhalb etwa 12 Stunden mit 20000 Mann auf jedem beliebigen Punkt erscheinen, so ist der Übergang nicht zu erzwingen, denn man wird ankommen, wenn er etwa die Hälfte jener 20000 Mann übergesetzt hat. Da man nun in 12 Stunden, die Zeit der Benachrichtigung mit eingerechnet, 4 Meilen marschieren kann, so würden alle 8 Meilen 20000 Mann erforderlich sein und 60000 zur Verteidigung des Flusses auf eine Strecke von 24 Meilen. Diese würden hinreichen, nicht nur auf jedem beliebigen Punkt mit 20000 Mann zu erscheinen, wenn auch der Feind zwei Übergänge zu gleicher Zeit versuchte, sondern sogar mit dem Doppelten, wenn dies nicht wäre.
[425] Hier sind also drei Umstände entscheidend:
1. die Breite des Stromes,
2. die Mittel des Überganges, denn beides entscheidet sowohl über die Dauer des Brückenbaues als über die Anzahl der Truppen, die während des Brückenbaues übergeschafft werden können,
3. die Stärke des Verteidigers. Die Stärke der feindlichen Armee selbst kommt hierbei noch nicht in Betrachtung. Nach dieser Theorie kann man sagen, daß es einen Punkt gibt, wo die Möglichkeit des Übergangs ganz aufhört und keine Übermacht imstande sein würde, ihn zu erzwingen.
Dies ist die einfache Theorie der unmittelbaren Stromverteidigung, d. h. derjenigen, wo man den Feind an der Vollendung seiner Brücke und am Übergange selbst hindern will; es ist dabei noch auf keine Wirkung der Demonstrationen, die der Übergehende anwenden kann, Rücksicht genommen. Wir wollen nun die näheren Umstände und die erforderlichen Maßregeln einer solchen Verteidigung in Betrachtung ziehen.
Abstrahiert man zuvörderst von aller geographischen Individualität, so ist nur zu sagen, daß die durch die eben gegebene Theorie bestimmten Korps unmittelbar am Strom, in sich vereinigt aufgestellt werden. Unmittelbar am Strom, weil jede Stellung weiter rückwärts die Wege ohne Not und Nutzen verlängert; denn da die Wassermasse des Stromes sie vor jeder bedeutenden Einwirkung des Feindes sichert, so ist es ja nicht nötig, sie wie eine Reserve bei einer Landesverteidigungslinie zurückzuhalten. Außerdem sind die Straßen an den Strömen auf und ab in der Regel gangbarer als Transversalwege von hinten gegen einen beliebigen Punkt des Stromes. Endlich ist durch diese Stellung der Strom unleugbar besser beobachtet als durch eine bloße Postenkette, hauptsächlich weil sich die Befehlshaber alle in der Nähe befinden. - In sich vereinigt müssen diese Korps sein, weil sonst die ganze Rechnung eine andere sein müßte. Wer es weiß, was das Vereinigen sagen will, in Beziehung auf Zeitverlust, der wird begreifen, daß gerade in diesem vereinigten Aufstellen die größte Wirksamkeit der Verteidigung liegt. Freilich ist es auf den ersten Anblick sehr anziehend, durch einzelne Posten dem Feinde auch das Überschiffen selbst schon unmöglich zu machen; aber, mit wenigen Ausnahmen an Punkten, die sich besonders zum Übergange eignen, ist diese Maßregel höchst verderblich. Der Schwierigkeit nicht zu gedenken, daß der Feind vom gegenüberstehenden Ufer einen solchen Posten meistens mit einem überlegenen Feuer erdrücken kann, so gibt man in der Regel seine Kräfte völlig umsonst aus, d. h. man erreicht durch einen solchen Posten weiter nichts, als daß der Feind einen andern Übergangspunkt wählt. Ist man also nicht so stark, daß man den Fluß wie einen Festungsgraben behandeln und verteidigen kann, ein Fall, für den es weiter keiner Regeln bedürfte, so führt diese eigentliche Uferverteidigung notwendig vom Ziele ab. Außer diesen Grundsätzen der allgemeinen Aufstellung kommen [426] nun noch in Betracht: erstens die Berücksichtigung der individuellen Eigentümlichkeiten des Stromes, zweitens die Wegschaffung der Übergangsmittel;
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