Vom Kriege
Zersplitterung der Kräfte gehen könne und dürfe, das alles muß die Theorie dem Takt des Feldherrn überlassen. Es ist genug, wenn sie ihm gesagt hat, was dies Mittel eigentlich sei, welche Rolle es in dem kriegerischen Verkehr der Heere einnehmen dürfe.
Ein Feldherr, der sich in einer ausgedehnten Gebirgsstellung auf das Haupt schlagen läßt, verdient vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden.
Achtzehntes Kapitel: Verteidigung von Strömen und Flüssen
Ströme und bedeutende Flüsse gehören, insofern von ihrer Verteidigung die Rede ist, gleich den Gebirgen in die Klasse der strategischen Barrieren. Sie unterscheiden sich aber von dem Gebirge in zwei Punkten: der eine betrifft ihre relative, der andere ihre absolute Verteidigung.
Wie die Gebirge verstärken sie den relativen Widerstand, aber ihre Eigentümlichkeit ist, daß sie sich wie ein Werkzeug von harter und spröder Materie verhalten; sie halten entweder jeden Stoß aus, ohne zu biegen, oder ihre Verteidigung zerbricht und hört dann gänzlich auf. Ist der Strom sehr groß, und sind die übrigen Bedingungen vorteilhaft, so kann der Übergang absolut unmöglich werden. Ist aber die Verteidigung irgendeines Stromes an einem Punkt gebrochen, so findet nicht wie im Gebirge noch ein nachhaltiger Widerstand statt, sondern die Sache ist mit diesem einen Akt abgemacht, es sei denn, daß der Strom selbst in einem Gebirgslande fließt.
Die andere Eigentümlichkeit der Ströme in Beziehung auf das Gefecht ist die, daß sie in manchen Fällen sehr gute und im allgemeinen bessere Kombinationen zu einer entscheidenden Schlacht zulassen als Gebirge.
Gemein haben beide wieder, daß sie gefährliche und verführerische Gegenstände sind, die oft zu falschen Maßregeln verleitet und in gefährliche Lagen versetzt haben. Wir werden auf diese Resultate bei der näheren Betrachtung der Flußverteidigung aufmerksam machen.
Obgleich die Geschichte ziemlich arm ist an wirksamen Stromverteidigungen und dadurch die Meinung gerechtfertigt wird, daß sie keine so starke Barrieren sind, als man in der Zeit geglaubt hat, wo ein absolutes Defensivsystem nach allen Verstärkungen griff, welche die Gegend darbot, so ist ihr vorteilhafter Einfluß auf das Gefecht und die Landesverteidigung im allgemeinen doch nicht zu leugnen.
Wir wollen, um die Sache im Zusammenhang zu übersehen, die verschiedenen Gesichtspunkte zusammenstellen, aus denen wir den Gegenstand zu betrachten gedenken.
Zuerst und überhaupt müssen wir unterscheiden die strategischen Resultate, welche die Ströme und Flüsse durch ihre Verteidigung geben, von dem Einfluß, welchen sie auf die Landesverteidigung haben, ohne selbst verteidigt zu werden.
Ferner kann die Verteidigung selbst drei verschiedene Bedeutungen haben:
1. einen absoluten Widerstand mit der Hauptmacht;
2. einen bloßen Scheinwiderstand;
3. einen relativen Widerstand für untergeordnete Teile, wie Vorposten, Deckungslinien, Nebenkorps usw. sind.
[424] Endlich müssen wir an der Verteidigung in Rücksicht auf ihre Form drei Hauptgrade oder Arten unterscheiden, nämlich:
1. eine unmittelbare durch Verhinderung des Überganges,
2. eine mehr mittelbare, wobei der Fluß und sein Tal nur als Mittel zur besseren Schlachtkombination benutzt werden,
3. eine ganz unmittelbare durch die Behauptung einer unangreifbaren Stellung auf der feindlichen Seite des Flusses.
Diesen drei Graden nach werden wir unsere Betrachtungen einteilen, und nachdem wir jeden derselben in Beziehung auf die erste und wichtigste Bedeutung kennengelernt haben, am Schluß auch die beiden andern berücksichtigen. - Also zuerst die unmittelbare Verteidigung, d. i. diejenige, wo der Übergang des feindlichen Heeres selbst verhindert werden soll.
Von dieser kann nur bei großen Strömen, d. h. bei großen Wassermassen die Rede sein.
Die Kombinationen von Raum, Zeit und Kraft, welche als die Elemente dieser Verteidigungstheorie angesehen werden müssen, machen den Gegenstand ziemlich verwickelt, so daß es nicht ganz leicht ist, einen festen Punkt zu gewinnen. Bei einer genaueren Überlegung wird jeder auf folgendes Resultat kommen.
Die Zeit, welche zur Schlagung einer Brücke erforderlich ist, bestimmt die Entfernung, in welcher die Korps, die den Fluß verteidigen sollen, voneinander aufgestellt werden dürfen. Mit diesen Entfernungen in die ganze Länge der Verteidigungslinie dividiert, gibt die Anzahl der Korps; mit dieser in die Masse der Truppen dividiert, die Stärke
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