Vom Kriege
laufen. Der Feind könnte also nur auf einzelnen Punkten derselben mit Infanterie erscheinen; für ein wirksames Flintenfeuer ist aber bei diesen Gebirgsmassen die Entfernung zu groß, und so steht man denn im Tal weniger gefährlich, als es das Ansehen hat. Aber freilich ist eine solche Talverteidigung einer andern großen Gefahr ausgesetzt, nämlich der, abgeschnitten zu werden. Der Feind kann zwar nur mit Fußvolk und nur langsam und mit großen Anstrengungen auf einzelnen Punkten ins Tal hinabsteigen, er kann also nicht überraschen, aber keine der Stellungen verteidigt die Ausmündung eines solchen Pfades im Tal, der Feind bringt also nach und nach überlegene Massen hinunter, breitet sich dann aus und sprengt die dünne und von dem Augenblick an sehr schwache Linie, die nichts zu ihrem Schutz mehr hat als das steinige Bett eines flachen Gebirgsstromes. Nun ist aber der Rückzug, der stückweise immer im Tal stattfinden muß, bis man einen Ausgang aus dem Gebirge gefunden hat, für viele Teile der Linie unmöglich, und die Österreicher haben daher in der Schweiz fast jedesmal ein Dritteil oder die Hälfte ihrer Truppen an Gefangenen verloren. -
Jetzt noch einige Worte über den Grad der Teilung, welchen die Streitkräfte bei solcher Verteidigung gewöhnlich bekommen.
Jede solche Aufstellung geht von einer mehr oder weniger in der Mitte der ganzen Linie auf dem hauptsächlichsten Zugang genommenen Stellung der Hauptmacht aus. Von dieser werden rechts und links andere Korps zur Besetzung der wichtigsten Eingänge abgeschickt, und es entsteht also für das Ganze eine Aufstellung von 3, 4, 5, 6 Posten usw. ziemlich in einer Linie. Wieweit diese Ausdehnung getrieben werden darf oder muß, hängt von den Bedürfnissen des einzelnen Falles ab. Ein paar Märsche, also 6 bis 8 Meilen, sind eine sehr mäßige, und man hat sie wohl bis zu 20 und 30 Meilen steigen sehen.
Zwischen den einzelnen, eine oder ein paar Stunden voneinander gelegenen Posten finden sich dann leicht andere weniger wichtige Zugänge, [422] auf welche man später aufmerksam wird; es finden sich einzelne vortreffliche Posten für ein paar Bataillone, die sich zur Verbindung der Hauptposten sehr gut eignen; sie werden also besetzt. Daß die Zerteilung der Kräfte noch weiter gehen und bis zu einzelnen Kompagnien und Schwadronen heruntersteigen könne, ist leicht einzusehen, und der Fall ist oft genug vorgekommen; es gibt also hier keine allgemeinen Grenzen der Zersplitterung. Von der andern Seite hängt die Stärke der einzelnen Posten von der Stärke des Ganzen ab, und es ist also auch schon darum nichts über den möglichen oder natürlichen Grad der Stärke zu sagen, welche die Hauptposten behalten werden. Wir wollen nur ein paar Sätze, welche die Erfahrung und die Natur der Sache lehren, zum Anhalt geben.
1. Je höher und unzugänglicher das Gebirge ist, um so größer darf die Teilung sein, um so größer muß sie aber auch werden, denn je weniger eine Gegend durch Kombinationen gesichert werden kann, die auf Bewegungen beruhen, um so mehr muß die Sicherung durch unmittelbare Deckung erfolgen. Die Verteidigung der Alpen nötigt zu viel größerer Teilung, bringt dem Kordon viel näher als die Verteidigung der Vogesen oder des Riesengebirges.
2. Noch überall, wo eine Gebirgsverteidigung eingetreten ist, hat eine solche Teilung der Kräfte stattgefunden, daß die Hauptposten meistens nur ein Treffen Fußvolk und im zweiten Treffen einige Schwadronen Reiterei hatten; nur die in der Mitte aufgestellte Hauptmacht hatte allenfalls auch ein paar Bataillone im zweiten Treffen.
3. Eine zurückgestellte strategische Reserve, um die angegriffenen Punkte zu verstärken, hat in den wenigsten Fällen stattgefunden, weil man sich bei der Ausdehnung in der Front schon überall zu schwach fühlt. Deswegen ist die Unterstützung, welche der angegriffene Posten erhalten hat, meistens von andern nicht angegriffenen Posten aus der Linie entnommen worden.
4. Auch da, wo die Teilung der Kräfte verhältnismäßig noch gering und die Stärke der einzelnen Posten noch groß war, hat der Hauptwiderstand derselben immer in der örtlichen Verteidigung bestanden, und wenn der Feind sich einmal vollkommen im Besitz des Postens befand, so war durch angekommene Unterstützung keine Abhilfe mehr zu erwarten.
Was hiernach von einer Gebirgsverteidigung zu erwarten ist, in welchen Fällen man dieses Mittel anwenden dürfe, wieweit man in der Ausdehnung und in der
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