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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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schiefe Fläche oder wenigstens für eine terrassenförmige Abdachung gelten könnte. Der Hauptrücken windet, krümmt und spaltet sich, mächtige Arme in gebogenen Linien streichen ins Land hinein und erheben [420] sich oft gerade in ihren Endpunkten wieder zu beträchtlicheren Höhen als der Hauptrücken selbst ist; Vorgebirge lagern sich daran und bilden große Talvertiefungen, die in das System nicht passen. Dazu kommt, daß, wo sich mehrere Gebirgszüge kreuzen, oder in dem Punkt, von dem mehrere auslaufen, der Begriff eines schmalen Streifens oder Gürtels ganz aufhört und einem strahlenförmigen Wasser- und Gebirgszuge Platz macht.
    Hieraus geht schon hervor, und jeder, der Gebirgsmassen in diesem Sinne angesehen hat, wird es noch deutlicher fühlen, wie die Idee einer systematischen Aufstellung zurücktritt, und wie wenig praktisch man sein würde, wenn man sie als Grundidee der Anordnungen festhalten wollte. Aber es ist noch ein wichtiger Punkt aus dem Gebiet der näheren Anwendung zu beachten.
    Fassen wir die taktischen Erscheinungen des Gebirgskrieges noch einmal scharf ins Auge, so ist klar, daß zwei Hauptelemente darin vorkommen, nämlich: erstens die Verteidigung steiler Abhänge, zweitens enger Täler. Diese letztere nun, die oft, ja meistens die größere Wirksamkeit im Widerstande gewährt, läßt sich mit der Aufstellung auf dem Hauptrücken nicht wohl vereinigen, denn es ist oft die Besetzung des Tales selbst erforderlich, und zwar mehr bei seinem Austritt aus der Gebirgsmasse als bei seinem Ursprung, weil es dort tiefer eingeschnitten ist. Außerdem gibt diese Talverteidigung ein Mittel, Gebirgsgegenden auch dann zu verteidigen, wenn auf dem Rücken selbst gar keine Aufstellung zu nehmen ist; sie spielt also gewöhnlich eine um so größere Rolle, je höher und unwegsamer die Masse des Gebirges ist.
    Aus allen diesen Betrachtungen geht hervor, daß man von dem Gedanken einer zu verteidigenden mehr oder weniger regelmäßigen Linie, die mit einer der geologischen Grundlinien zusammenfiele, ganz loslassen und ein Gebirge nur wie eine mit Unebenheiten und Hindernissen von mancherlei Art durchzogene Fläche betrachten muß, von deren Teilen man einen so guten Gebrauch zu machen sucht, als es die Umstände gestatten, - daß also, wenn auch die geologischen Lineamente des Bodens zu einer klaren Einsicht in die Gestalt der Gebirgsmassen unentbehrlich sind, sie doch in den Verteidigungsmaßregeln wenig zum Vorschein kommen.
    Weder im Österreichischen Erbfolgekriege, noch im Siebenjährigen, noch im Revolutionskriege finden wir Aufstellungen, die ein ganzes Gebirgssystem umfaßten und wo die Verteidigung nach seinen Hauptlineamenten geordnet wäre. Niemals finden wir die Heere auf dem Hauptrücken, immer an dem Abhang, bald höher, bald tiefer aufgestellt, bald in dieser, bald in jener Richtung; parallel, senkrecht und schief; mit und gegen den Wasserzug; bei höheren Gebirgen, wie die Alpen, sogar oft in einem Tale fortlaufend; bei geringern, wie die Sudeten, und das ist die stärkste Anomalie, auf der Hälfte des dem Verteidiger zugekehrten Abhanges, also den Hauptrücken vor sich habend, wie die Stellung, in der Friedrich der Große 1762 die Belagerung von Schweidnitz deckte und die Hohe Eule vor der Front seines Lagers hatte.
    [421] Die berühmten Stellungen des Siebenjährigen Krieges von Schmottseifen und Landeshut sind im allgemeinen Talvertiefungen, eben dies ist der Fall mit der Stellung von Feldkirch in Vorarlberg. In den Feldzügen von 1799 und 1800 haben die Hauptposten der Franzosen wie der Österreicher jederzeit in den Tälern selbst gestanden, nicht bloß quer über dieselben, um sie zu sperren, sondern auch in ihnen der ganzen Länge nach, während die Rücken entweder gar nicht oder nur mit wenigen einzelnen Posten besetzt waren.
    Die Rücken der höheren Alpen sind nämlich von einer solchen Unwegsamkeit und Unwirtlichkeit, daß es unmöglich wird, sie mit namhaften Truppenmassen zu besetzen. Will man nun durchaus Streitkräfte im Gebirge haben, um Herr desselben zu sein, so bleibt nichts anderes übrig, als sie in den Tälern aufzustellen. Auf den ersten Anblick scheint dies ein Unding, weil man nach den gewöhnlichen theoretischen Vorstellungen sagen würde: die Rücken beherrschen die Täler. Allein so schlimm ist es dennoch nicht, die Rücken sind nur auf wenigen Wegen und Pfaden zugänglich und mit seltener Ausnahme nur für Fußvolk, weil die Fahrstraßen alle in den Tälern

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