Vom Kriege
Feinde dadurch verbirgt, als auch sie zur Deckung und Erleichterung seines Rückzugs benutzt.
Es ist indessen hier nur die Rede von Wäldern ebener Gegenden, denn wo der entschiedene Gebirgscharakter eintritt, wird auch sein Einfluß auf die taktischen und strategischen Maßregeln vorherrschend, und davon haben wir anderswo gesprochen.
Unwegsame Wälder aber, d. h. solche, die nur auf bestimmten Straßen durchzogen werden können, bieten allerdings einer mittelbaren Verteidigung [445] ähnliche Vorteile dar, wie die sind, welche sie aus Gebirgen zur günstigen Einleitung einer Schlacht zieht; das Heer kann hinter dem Walde in mehr oder weniger vereinigter Stellung den Feind erwarten, um ihn in dem Augenblick anzufallen, wo er aus den Straßenengen hervortritt. Ein solcher Wald gleicht in seiner Wirkung mehr einem Gebirge als einem Strom; denn er hat einen sehr langen und beschwerlichen Durchgang, ist aber in Beziehung auf den Rückzug eher vorteilhaft als gefährlich.
Eine unmittelbare Verteidigung der Wälder aber, wenn sie auch noch so unwegsam sind, ist selbst für die leichteste Vorpostenkette ein gewagtes Stück Arbeit; denn Verhaue sind nur eingebildete Schranken, und kein Wald ist so unwegsam, daß man nicht an hundert Stellen mit kleinen Abteilungen durchkönnte, und diese gleichen bei einer Verteidigungskette den ersten Wassertropfen, welche durch einen Deich sintern und denen bald ein allgemeiner Durchbruch nachfolgt.
Unendlich wichtiger ist der Einfluß der großen Wälder jeder Art, den sie bei der Volksbewaffnung haben; unstreitig sind sie das rechte Element derselben; kann also der strategische Verteidigungsplan so eingerichtet werden, daß des Feindes Verbindungslinien durch große Wälder laufen, so ist dadurch ein mächtiger Hebel in dem Verteidigungswerk mehr angebracht.
Zweiundzwanzigstes Kapitel: Der Kordon
Der Name des Kordons wird jeder Verteidigungsanstalt gegeben, welche durch eine Reihe aneinanderhängender Posten einen ganzen Landstrich unmittelbar schützen will. Wir sagen unmittelbar, denn mehrere nebeneinander aufgestellte Korps eines großen Heeres könnten einen bedeutenden Landstrich vor dem feindlichen Eindringen schützen; ohne einen Kordon zu bilden; dann würde dieser Schutz aber nicht unmittelbar, sondern durch die Wirkung von Kombinationen und Bewegungen stattfinden.
Daß eine so lange Verteidigungslinie, wie die sein muß, die einen bedeutenden Landstrich unmittelbar decken soll, nur einen sehr geringen Grad der Widerstandsfähigkeit haben kann, springt in die Augen. Selbst bei den größten Truppenmassen würde dies der Fall sein, wenn ähnliche Truppenmassen dagegen wirkten. Die Absicht eines Kordons kann also nur sein, gegen einen schwachen Stoß zu schützen, sei es, daß die Willenskraft schwach ist, oder die Streitkraft, mit der der Stoß erfolgen kann, klein.
In diesem Sinn ist die chinesische Mauer errichtet; ein Schutz gegen die Streifereien der Tataren. Diese Bedeutung haben alle Linien- und [446] Grenzverteidigungsanstalten der mit Asien und der Türkei in Berührung stehenden europäischen Staaten. Bei dieser Anwendung hat ein Kordon weder etwas Widersinniges, noch erscheint er unzweckmäßig. Freilich wird dadurch nicht jede Streiferei abgehalten werden können, aber sie werden doch erschwert und folglich seltener, und bei Verhältnissen wie die mit asiatischen Völkern, wo der Kriegszustand fast nie aufhört, ist das sehr wichtig.
Dieser Bedeutung eines Kordons am nächsten kommen die Linien, welche in den neuen Kriegen auch zwischen europäischen Staaten entstanden sind, wie die französischen am Rhein und in den Niederlanden. Sie sind im Grunde nur errichtet, um das Land gegen solche Angriffe zu schützen, die bloß darauf abgesehen sind, Kontributionen einzutreiben und auf Unkosten des Gegners zu leben. Sie sollen also nur Nebenunternehmungen abhalten, und folglich nur mit einer untergeordneten Macht. Aber freilich wird, in den Fällen, wo die feindliche Hauptmacht die Richtung gegen diese Linie nimmt, auch der Verteidiger genötigt sein, sie mit seiner Hauptmacht zu besetzen, woraus denn nicht die besten Verteidigungsanstalten entspringen. Um dieses Nachteils willen, und weil der Schutz gegen Streifereien in einem vorübergehenden Kriege ein Zweck von sehr untergeordneter Wichtigkeit ist, für den durch das Dasein solcher Linien leicht ein zu großer Kraftaufwand abgezwungen werden kann: sind sie in unsern Tagen als eine schädliche Maßregel angesehen
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