Vom Kriege
darin ist, daß man verhältnismäßig stärker sein muß als bei der unmittelbaren Stromverteidigung, oder mit andern Worten keine so lange Verteidigungslinie bilden kann, besonders in dem kultivierten Europa, wo die Zahl der Übergänge auch unter den günstigsten Umständen immer noch sehr groß zu sein pflegt.
In dieser Rücksicht stehen sie also großen Strömen nach, und diese Rücksicht ist sehr wichtig, denn alle örtliche Verteidigung hat etwas höchst Verfängliches und Gefährliches. Wenn man aber bedenkt, daß solche Moräste und Niederungen eine Breite zu haben pflegen, mit der die der größten europäischen Ströme sich nicht vergleichen läßt, daß folglich ein zur Verteidigung eines Überganges aufgestellter Posten niemals in Gefahr ist, [440] vom jenseitigen Feuer überwältigt zu werden, daß die Wirkung seines eigenen Feuers durch einen ganz engen, sehr langen Damm unendlich gesteigert wird, und daß überhaupt der Durchgang durch eine solche Straßenenge von einer Viertel- oder halben Meile Länge ungleich mehr aufhält als der Übergang über eine Brücke: so muß man eingestehen, daß solche Niederungen und Moräste, wenn ihre Übergänge nicht gar zu zahlreich sind, zu den stärksten Verteidigungslinien gehören, die es geben kann.
Eine mittelbare Verteidigung, wie wir sie bei den Strömen und Flüssen kennengelernt haben, indem der Einschnitt des Bodens benutzt wird, eine Hauptschlacht vorteilhaft einzuleiten, bleibt übrigens ebenso anwendbar für Moräste.
Die dritte Methode einer Flußverteidigung durch eine Stellung auf der feindlichen Seite würde aber wegen des langwierigen Überganges zu gewagt werden.
Höchst gefährlich aber ist es, sich auf die Verteidigung solcher Moräste, Wiesen, Brücher usw. einzulassen, die außer den Dämmen nicht absolut unwegsam sind. Eine einzige Übergangsstelle, die der Feind entdeckt hat, reicht dann zur Sprengung der Verteidigungslinie hin, welches im Fall eines ernstlichen Widerstandes immer mit großen Verlusten verknüpft ist.
B. Überschwemmungen
Wir haben nun noch der Überschwemmungen zu gedenken. Sie sind unstreitig als Verteidigungsmittel sowie als Naturerscheinung großen Morästen am ähnlichsten.
Freilich kommen sie wohl selten vor; vielleicht ist Holland das einzige Land in Europa, wo sie eine Erscheinung bilden, die in unserer Beziehung der Mühe wert ist, betrachtet zu werden; aber gerade dieses Land nötigt uns wegen der merkwürdigen Feldzüge von 1672 und 1787 sowie wegen seiner für Deutschland und Frankreich beziehungsreichen Lage, diesem Vorkommen ein paar Betrachtungen zu widmen.
Der Charakter dieser holländischen Überschwemmungen ist von dem einer gewöhnlichen sumpfigen und unzugänglichen Niederung in folgendem verschieden:
1. Das Land selbst ist trocken und besteht entweder in trockener Wiese oder auch in Fruchtfeldern;
2. eine Anzahl kleiner Bewässerungs- und Entwässerungsgräben von mehr oder weniger Tiefe und Breite durchschneiden es so, daß sie sich strichweise in parallelen Richtungen befinden;
[441] 3. größere für die Bewässerung, Entwässerung und Schiffahrt bestimmte Kanäle, von Deichen eingeschlossen, durchziehen das Land in allen möglichen Richtungen, und sind von der Art, daß sie ohne Brücken nicht passiert werden können;
4. die Fläche des Bodens der ganzen Überschwemmungsgegend liegt merklich unter dem Niveau des Meeres und folglich auch unter dem Niveau der Kanäle;
5. es folgt hieraus, daß man vermittelst Durchstechung der Dämme, Sperrung und Aufziehung der Schleusen imstande ist, das Land selbst unter Wasser zu setzen, so daß nur die auf den höheren Dämmen liegenden Wege trocken bleiben, die andern entweder ganz unter Wasser kommen, oder durch das Wasser wenigstens so aufgeweicht werden, daß man sich ihrer nicht mehr bedienen kann. Ist nun auch die Überschwemmung nur 3 oder 4 Fuß hoch, so daß man sie allenfalls auf kurze Strecken durchwaten könnte, so verhindern dies doch die unter 2. genannten kleinen Gräben, welche man nicht sieht. Nur da, wo die Gräben eine entsprechende Richtung haben, so daß man zwischen zweien fortgehen kann, ohne einen oder den anderen zu überschreiten, hört die Überschwemmung auf, ein absolutes Hindernis des Zugangs zu sein. Es ist begreiflich, daß dies immer nur auf ganz kurze Strecken der Fall sein wird, also nur für ganz spezielle taktische Bedürfnisse benutzt werden kann.
Aus allem diesen ergibt sich als Folge:
1. daß der Angreifende
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