Vom Kriege
Angreifenden alle Aussicht benommen haben, vermittelst eines glücklichen Gefechtes einen jener andern Gegenstände zu erreichen. Zu dieser Aussicht würden zwei Bedingungen gehören, nämlich vorteilhafte Verhältnisse im Gefecht und demnächst, daß der Erfolg auch wirklich zu einem jener Gegenstände führe.
Das erstere kann sehr wohl ohne das letztere stattfinden, und es werden sich also einzelne Korps und Posten des Verteidigers viel häufiger in der Gefahr befinden, in nachteilige Gefechte zu geraten, wenn der Angreifende es bloß auf die Ehre des Schlachtfeldes absieht, als wenn er auch noch die Bedingung weiterer Vorteile daran knüpft.
Wenn wir uns ganz in Dauns Lage und Denkungsart hineinversetzen, so können wir begreifen, daß er den Überfall von Hochkirch wagen konnte, ohne aus sich herauszugehen, sobald er nichts als die Trophäen des Tages beabsichtigte, daß aber ein folgenreicher Sieg, der den König gezwungen hätte, Dresden und Neiße sich selbst zu überlassen, eine ganz andere Aufgabe war, in welche er sich nicht einlassen wollte.
[509] Man glaube ja nicht, daß dies kleinliche oder gar müßige Distinktionen sind, vielmehr haben wir es hier mit einem der am tiefsten gehenden Grundzüge des Krieges zu tun. Die Bedeutung eines Gefechts ist für die Strategie die Seele desselben, und wir können nicht genug wiederholen, daß bei ihr alle Hauptsachen immer aus der letzten Absicht beider Teile wie aus dem Schlußpunkt des ganzen Gedankensystems hervorgehen. Daher kann dann zwischen Schlacht und Schlacht ein solcher strategischer Unterschied sein, daß sie gar nicht mehr als dasselbe Instrument betrachtet werden kann.
Da nun der Verteidiger, obgleich ein solcher Sieg des Angreifenden kaum als eine wesentliche Beeinträchtigung der Verteidigung betrachtet werden kann, doch seinem Gegner auch diesen Vorteil nicht gern einräumen wird, zumal, da man niemals weiß, was sich zufällig noch daran anknüpfen kann, so ist die beständige Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse aller seiner bedeutenden Korps und Posten noch ein besonderer Gegenstand seiner Industrie. Freilich hängt hier das meiste von dem klugen Betragen der Führer dieses Korps ab, aber sie können doch auch, durch unzweckmäßige Bestimmungen von seiten des Feldherrn, in unvermeidliche Katastrophen verwickelt werden. Wem fällt hier nicht das Fouquésche Korps bei Landshut und das Fincksche bei Maxen ein?
Friedrich der Große hatte in beiden Fällen zu viel auf die Wirkung hergebrachter Ideen gerechnet. Er konnte unmöglich glauben, daß man sich in der Stellung von Landshut mit 10000 Mann wirklich gegen 30000 mit Glück schlagen, oder daß Finck einer von allen Seiten überwältigend herbeiströmenden Übermacht widerstehen könne; sondern er glaubte, die Stärke der Landshuter Stellung werde wie bisher als ein gültiger Wechsel akzeptiert werden und Daun in der Flankendemonstration eine hinreichende Veranlassung finden, die unbequeme Stellung in Sachsen mit der bequemeren in Böhmen zu vertauschen. Er hat dort Laudon und hier Daun diesmal falsch beurteilt, und darin liegt der Fehler jener Maßregeln.
Aber abgesehen von solchen Irrtümern, die auch Feldherren begegnen können, die nicht zu stolz, keck und eigensinnig sind, wie man es Friedrich dem Großen bei einzelnen Maßregeln wohl vorwerfen kann, so liegt in Beziehung auf unsern Gegenstand immer eine große Schwierigkeit darin, daß der Feldherr von der Einsicht, dem guten Willen, dem Mut und der Charakterstärke seiner Korpsführer nicht immer das Wünschenswerte erwarten kann. Es kann also nicht alles ihrem Gutdünken überlassen, sondern muß ihnen manches vorschreiben, wodurch ihr Handeln gebunden wird und dann leicht mit den augenblicklichen Umständen in Mißverhältnis geraten kann. Dies ist ein ganz unvermeidlicher Übelstand. Ohne gebieterischen herrischen Willen, der bis auf das letzte Glied durchgreift, ist keine gute Heerführung möglich, und wer der Gewohnheit folgen wollte, immer das Beste von den Leuten zu glauben und zu erwarten, würde dadurch schon zu einer guten Heerführung ganz untüchtig sein.
[510] Es müssen also die Verhältnisse eines jeden Korps und Postens immer scharf ins Auge gefaßt werden, um dasselbe nicht unerwartet in eine Katastrophe verwickelt zu sehen.
Alle diese vier Bestrebungen sind auf die Erhaltung des Status quo gerichtet. Je glücklicher und erfolgreicher sie sind, um so länger wird der Krieg auf demselben Punkt verweilen; je länger
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