Vom Kriege
der einen oder der anderen Festung drehte, und zwar so, daß meistens dabei die Sukzessiveroberung der ganzen Provinz nicht einmal als Hauptlineament durchschien, sondern daß jede Festung wie eine diskrete Größe betrachtet wurde, die an sich etwas wert wäre, und bei der wohl mehr auf die Bequemlichkeit und Leichtigkeit des Unternehmens als auf den Wert des Platzes gesehen wurde.
Indessen ist eine Belagerung eines nicht ganz unbedeutenden Platzes immer ein bedeutendes Unternehmen, weil es große Geldausgaben verursacht und bei Kriegen, wo sich’s nicht immer um das Ganze handelt, diese sehr berücksichtigt werden müssen. Daher gehört eine solche Belagerung hier schon zu den bedeutenden Gegenständen eines strategischen Angriffs. Je unbedeutender der Platz ist, oder je weniger es mit der Belagerung ernst ist, je weniger Vorbereitungen dazu getroffen sind, je mehr alles en passant gemacht werden soll, um so kleiner wird dies strategische Ziel, um so angemessener ganz schwachen Kräften und Absichten, und oft sinkt dann das Ganze zu einer bloßen Spiegelfechterei hinab, um den Feldzug mit Ehren hinzubringen, weil man als Angreifender doch irgend etwas tun will.
[548] d) Ein vorteilhaftes Gefecht, Treffen oder sogar eine Schlacht um der Trophäen oder gar um der bloßen Waffenehre willen und zuweilen auch aus bloßem Ehrgeiz des Feldherrn; daß dies vorkommt, könnte nur der bezweifeln, der gar keine Kriegsgeschichte wüßte. In den Feldzügen der Franzosen zur Zeit Ludwig XIV. sind die meisten Offensivschlachten von der Art. Aber notwendiger ist es zu bemerken, daß diese Dinge nicht ohne objektives Gewicht, nicht bloßes Spiel der Eitelkeit sind; sie sind von einem sehr bestimmten Einfluß auf den Frieden, führen also ziemlich direkt ans Ziel. Die Waffenehre, das moralische Übergewicht des Heeres und des Feldherrn sind Dinge, die unsichtbar wirken, aber den ganzen kriegerischen Akt unaufhörlich durchdringen.
Das Ziel eines solchen Gefechts setzt freilich voraus:
aa) Daß man eine ziemliche Aussicht zum Siege habe.
bb) Daß man bei dem Verlust des Gefechts nicht zu viel auf das Spiel setze.
Mit einer solchen Schlacht, die man in beengten Verhältnissen und mit beschränktem Ziel liefert, muß man natürlich nicht Siege verwechseln, die bloß aus moralischer Schwäche unbenutzt geblieben sind.
3. Mit Ausnahme des letzten dieser Gegenstände (d) lassen sich alle ohne bedeutendes Gefecht erreichen, und gewöhnlich werden sie vom Angreifenden ohne ein solches erstrebt. Die Mittel nun, welche ohne entscheidendes Gefecht dem Angreifenden zu Gebot stehen, liegen in allen den Interessen, welche der Verteidiger in seinem Kriegstheater hat: das Bedrohen seiner Verbindungslinien, sei es mit Gegenständen des Unterhalts wie Magazinen, fruchtbaren Provinzen, Wasserstraßen usw., oder mit andern Korps, oder mit mächtigen Punkten wie Brücken, Pässen usw.; das Einnehmen starker Stellungen, aus denen er uns nicht wieder vertreiben kann und die ihm unbequem liegen; die Einnahme bedeutender Städte, fruchtbarer Landstriche, unruhiger Gegenden, die zur Rebellion verführt werden könnten; das Bedrohen schwacher Verbündeten usw. Indem der Angriff jene Verbindungen wirklich unterbricht, und zwar auf eine solche Weise, daß der Verteidiger sie sich nicht ohne bedeutende Opfer wieder öffnen kann, indem er jene Punkte einzunehmen sich anschickt, nötigt er den Verteidiger, eine andere Stellung mehr rückwärts oder seitwärts zu nehmen, um jene Objekte zu decken und lieber geringere aufzugeben. So wird denn ein Landstrich frei; ein Magazin, eine Festung entblößt; jenes der Eroberung, diese der Belagerung preisgegeben. Dabei können kleinere und größere Gefechte vorkommen, aber sie werden dann nicht gesucht und als Zweck behandelt, sondern als ein notwendiges Übel, und können einen gewissen Grad der Größe und Wichtigkeit nicht überschreiten.
4. Die Einwirkung des Verteidigers auf die Verbindungslinien des Angreifenden ist eine Reaktionsart, die in den Kriegen mit großer Entscheidung nur dann vorkommen kann, wenn die Operationslinien sehr [549] groß werden, dagegen ist diese Reaktionsart bei Kriegen ohne große Entscheidung mehr in der Natur der Sache. Die Verbindungslinien des Gegners werden zwar hier selten sehr lang sein, aber es kommt auch hier nicht darauf an, dem Gegner so große Verluste der Art beizubringen, eine bloße Belästigung und Verkürzung seines Unterhaltes tut oft schon Wirkung, und was den
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