Vom Kriege
vorhanden sind, nicht immer die beabsichtigte Wirkung hervorbringen, sehen wir an Beispielen zweier Feldherren, die wohl dafür gelten können, die größte Virtuosität darin gehabt zu haben, Friedrich des Großen und Bonapartes. Der erstere, als er im Juli 1760 so urplötzlich von Bautzen aus auf Lascy fiel und sich gegen Dresden wandte, erreichte mit diesem ganzen Intermezzo eigentlich nichts, vielmehr wurden seine Angelegenheiten dadurch merklich verschlimmert, indem Glatz unterdessen fiel.
Bonaparte wandte sich im Jahre 1813 von Dresden aus zweimal urplötzlich gegen Blücher, von seinem Einfall aus der Oberlausitz nach Böhmen hinein gar nicht einmal zu sprechen, und beide Male ganz ohne die beabsichtigte Wirkung. Es wurden Lufthiebe, welche ihm nur Zeit und Kräfte kosteten und bei Dresden hätten höchst gefährlich werden können.
Eine Überraschung mit großem Erfolg geht also auch in diesem Gebiet nicht aus der bloßen Tätigkeit, Kraft und Entschlossenheit der Führung hervor, sie muß durch andere Umstände begünstigt werden. Wir wollen aber diesen Erfolg keineswegs leugnen, sondern ihn nur an die Notwendigkeit günstiger Bedingungen anknüpfen, die sich dann freilich nicht so häufig finden, und die der Handelnde selten hervorbringen kann.
Eben jene Feldherren geben jeder ein auffallendes Beispiel davon; Bonaparte in seiner berühmten Unternehmung auf Blüchers Heer 1814, als dasselbe, vom großen Heere getrennt, die Marne hinunterzog. Nicht leicht konnte ein überraschender Marsch von zwei Tagen größere Resultate geben. Blüchers Heer, auf drei Tagemärsche ausgedehnt, wurde einzeln geschlagen und erlitt einen Verlust, welcher einer verlorenen Hauptschlacht gleichkam. Es war lediglich die Wirkung der Überraschung, denn Blücher würde, wenn er an eine so nahe Möglichkeit eines Anfalls Bonapartes geglaubt hätte, seinen Marsch ganz anders eingerichtet haben. An diesen Fehler Blüchers knüpfte sich der Erfolg an. Bonaparte kannte diese Umstände allerdings nicht, und so war es für ihn glücklicher Zufall, welcher sich einmischte.
Ebenso ist es mit der Schlacht von Liegnitz 1760. Friedrich der Große gewann diese schöne Schlacht, weil er in der Nacht seine Stellung, die er eben erst bezogen hatte, schon wieder veränderte; dadurch wurde Laudon völlig überrascht, und der Erfolg war ein Verlust von 70 Kanonen und 10000 Mann. Obgleich Friedrich der Große in dieser Zeit den Grundsatz angenommen hatte, sich viel hin und her zu bewegen, um dadurch eine Schlacht unmöglich zu machen, oder wenigstens des Feindes Pläne zu verrücken, so war doch die Veränderung der Stellung in der Nacht vom 14. zum 15. nicht gerade in der Absicht gemacht, sondern, wie der König selbst sagt, weil ihm die Stellung vom 14. nicht gefiel. Es war also auch [177] hier der Zufall stark im Spiel. Ohne das Zusammentreffen des Angriffs mit der nächtlichen Veränderung und der unzugänglichen Gegend wäre der Erfolg nicht derselbe gewesen.
Auch im höheren und höchsten Gebiet der Strategie gibt es einige Beispiele folgenreicher Überraschungen, wir wollen nur an die glänzenden Züge des großen Kurfürsten gegen die Schweden von Franken bis Pommern und von der Mark bis an den Pregel, an den Feldzug von 1757 und den berühmten Übergang Bonapartes über die Alpen 1800 erinnern. Hier überlieferte ein Heer in einer Kapitulation sein ganzes Kriegstheater, und wenig fehlte 1757, daß ein anderes sein Kriegstheater und sich selbst ausgeliefert hätte. Endlich kann man für den Fall eines ganz unerwarteten Krieges Friedrichs des Großen Einfall in Schlesien anführen. Groß und gewaltig sind hier überall die Erfolge. Aber solche Erscheinungen gibt es sehr wenige in der Geschichte, wenn man nämlich nicht die Fälle damit verwechselt, wo ein Staat aus Mangel an Tätigkeit und Energie (1756 Sachsen und 1812 Rußland) mit seinen Anstalten nicht fertig wird.
Jetzt ist noch eine Bemerkung zurück, welche das Innere der Sache betrifft. Es kann nämlich nur derjenige überraschen, welcher dem andern das Gesetz gibt; das Gesetz gibt, wer im Recht ist. Wenn wir den Gegner mit einer verkehrten Maßregel überraschen, so werden wir statt der guten Folgen vielleicht einen derben Rückschlag zu ertragen haben; in jedem Fall braucht der Gegner sich um unsere Überraschung wenig zu kümmern, er findet in unserem Fehler die Mittel, das Übel abzuwenden. Da der Angriff viel mehr positive Handlungen in sich schließt, als die Verteidigung, so
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