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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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taktischen Verteidigung namentlich eine große Hauptsache ist.
    Wir sagen: die Überraschung liegt ohne Ausnahme allen Unternehmungen zugrunde, nur in sehr verschiedenen Graden nach der Natur der Unternehmung und der übrigen Umstände.
    Schon bei den Eigenschaften des Heeres, des Feldherrn, ja der Landesregierung fängt dieser Unterschied an.
    Geheimnis und Schnelligkeit sind die beiden Faktoren dieses Produktes, und beide setzen bei der Regierung und beim Feldherrn eine große Energie, beim Heere aber einen großen Ernst des Dienstes voraus. Mit Weichlichkeit und laxen Grundsätzen ist es vergeblich, auf Überraschung zu rechnen. Aber so allgemein, ja so unerläßlich dieses Bestreben ist, und so wahr es ist, daß dasselbe nie ganz ohne Wirkung bleiben wird, so ist es doch ebenso wahr, daß es selten in einem ausgezeichneten Grade gelingt, und daß dies in der Natur der Sache liegt. Man würde sich also eine falsche Vorstellung machen, wenn man glaubte, durch dieses Mittel sei hauptsächlich viel im Kriege zu erreichen. In der Idee spricht es uns so sehr an, in der Ausführung bleibt es meistens in der Friktion der ganzen Maschine stecken.
    In der Taktik ist die Überraschung vielmehr zu Hause aus der ganz natürlichen Ursache, daß alle Zeiten und Räume kleiner sind. Sie wird also in der Strategie um so tunlicher, als die Maßregeln dem Gebiet der Taktik näherliegen, und um so schwieriger, je höher hinauf gegen das Gebiet der Politik diese liegen.
    [175] Die Vorbereitungen zum Kriege nehmen gewöhnlich mehrere Monate ein, die Versammlung der Heere in ihren großen Aufstellungspunkten erfordert meistens die Anlage von Magazinen und Depots und beträchtliche Märsche, deren Richtung sich früh genug erraten läßt.
    Es ist daher äußerst selten, daß ein Staat den andern mit einem Kriege überrascht oder mit der Richtung seiner Kräfte im großen. Im siebzehnten oder achtzehnten Jahrhundert, wo der Krieg sich viel um Belagerungen drehte, war ein vielfältiges Bestreben und ein ganz eigenes, wichtiges Kapitel in der Kriegskunst, einen festen Platz unvermutet einzuschließen; und auch dies gelang nur selten.
    Dagegen ist bei Dingen, die von einem Tage zum andern geschehen können, die Überraschung viel denkbarer, und so ist es denn auch oft nicht schwer, dem Feinde einen Marsch und dadurch eine Stellung, einen Punkt in der Gegend, einen Weg abzugewinnen usw. Allein es ist klar, daß, was die Überraschung nach dieser Seite hin an Leichtigkeit gewinnt, an ihrer Wirksamkeit verloren geht, sowie diese nach der andern Richtung hin immer zunimmt. Wer da glaubt, daß sich an solche Überraschung in kleinen Maßregeln oft Großes anknüpfen ließe, z. B. der Gewinn einer Schlacht, die Wegnahme eines bedeutenden Magazins, der glaubt etwas, was allerdings sehr denkbar ist, was aber die Geschichte nicht bewährt, denn es sind im ganzen sehr wenig Beispiele, wo aus solchen Überraschungen Großes hervorgegangen wäre, woraus man wohl ein Recht hat, auf die Schwierigkeiten zu schließen, die in der Sache liegen.
    Freilich muß, wer die Geschichte in solchen Dingen befragt, sich nicht an gewisse Paradepferde der historischen Kritik, an ihre Sentenzen und selbstgefälligen Terminologien halten, sondern dem Faktum selbst in die Augen sehen. Es gibt z. B. einen gewissen Tag in dem Feldzuge von 1761 in Schlesien, der in dieser Beziehung eine Art Berühmtheit hat. Es ist der 22. Juli, an welchem Friedrich der Große dem General Laudon den Marsch nach Nossen bei Neisse abgewann, wodurch, wie es heißt, die Vereinigung der österreichischen und russischen Armee in Oberschlesien unmöglich und also für den König ein Zeitraum von vier Wochen gewonnen wurde. Wer dieses Ereignis in den Hauptgeschichtschreibern 4 umständlich nachliest und unbefangen überlegt, wird in dem Marsch vom 22. Juli diese Bedeutung niemals finden und überhaupt in dem ganzen Räsonnement, welches über diesen Punkt zur Mode geworden ist, nichts als Widersprüche, in den Bewegungen Laudons in dieser berühmten Manöverzeit aber viel Unmotiviertes sehen. Wie könnte man nun bei dem Durst nach Wahrheitigkeit und klarer Überzeugung solch einen historischen Beweis gelten lassen?
    [176] Indem man sich von dem Prinzip der Überraschung im Laufe eines Feldzuges große Wirkungen verspricht, denkt man an eine sehr große Tätigkeit, schnelle Entschlüsse, starke Märsche, welche dazu die Mittel geben sollen; daß aber diese Dinge, auch da, wo sie in einem hohen Grade

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