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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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auch aus anderen Gründen. Wenn im Feuergefecht 1000 Mann gegen 500 gebraucht werden, so ist die Größe ihres Verlustes zusammengesetzt aus der Größe der feindlichen Kräfte und der eigenen. Tausend schießen noch einmal soviel als 500; gegen 1000 aber treffen auch mehr Kugeln als gegen 500, weil doch vorauszusetzen ist, daß sie dichter stehen als jene. Dürften wir annehmen, daß auch die Anzahl der treffenden Kugeln bei ihnen doppelt so groß wäre, so würde der Verlust von beiden Seiten gleich sein. Von den 500 würden z. B. 200 außer Gefecht sein und von den 1000 gleichfalls. Hätten nun jene 500 ebenso viele hinter sich, die bis dahin ganz außer dem Feuer gehalten wurden, so würden beide Teile 800 Mann gesund haben, davon aber der eine 500 Mann ganz frisch mit voller Munition und mit vollen Kräften hätte, der andere aber nur 800 Mann, die alle im gleichen Maße aufgelöst, ohne hinlängliche Munition und in geschwächter Kraft sind. Die Voraussetzung, daß die 1000 Mann bloß wegen ihrer größeren Zahl auch doppelt soviel verlieren sollten, als 500 an ihrer Stelle verloren haben würden, ist allerdings nicht richtig, es muß also bei jener ursprünglichen Ordnung der größere Verlust, welchen der erleidet, der die Hälfte seiner Kraft zurückgestellt hat, als ein Nachteil angesehen werden; ebenso muß in der Allgemeinheit der Fälle eingeräumt werden, daß den 1000 Mann im ersten Augenblick der Vorteil werden kann, ihre Gegner aus ihrem Standpunkt zu vertreiben und in eine rückgängige Bewegung zu bringen; ob nun diese beiden Vorteile dem Nachteile das Gleichgewicht halten, sich mit 800 Mann durch das Gefecht aufgelöster Truppen gegen einen Feind zu befinden, der wenigstens nicht merklich schwächer ist und 500 Mann ganz frischer Truppen hat: das kann eine weiter getriebene Analyse nicht mehr entscheiden, sondern man muß hier auf die Erfahrung sich stützen, und da wird es wohl keinen Offizier von einiger Kriegserfahrung geben, welcher nicht in der Allgemeinheit der Fälle das Übergewicht demjenigen zuschreiben wird, der die frischen Kräfte hat.
    Auf diese Weise wird es klar, wie die Anwendung zu großer Kräfte im Gefechte nachteilig werden kann, denn wie viele Vorteile uns auch die Überlegenheit im ersten Augenblick geben mag, vielleicht müssen wir im nächsten dafür büßen.
    Diese Gefahr reicht aber nur soweit, als die Unordnung, der Zustand der Auflösung und Schwächung reicht, mit einem Wort, die Krise, welche jedes Gefecht auch beim Sieger mit sich bringt. In dem Bereiche dieses geschwächten Zustandes ist die Erscheinung einer verhältnismäßigen frischen Anzahl Truppen entscheidend.
    [182] Wo aber diese auflösende Wirkung des Sieges aufhört, und also nur die moralische Überlegenheit bleibt, die jeder Sieg gibt, da ist die frische Kraft nicht mehr imstande, das Verlorene gutzumachen, da wird sie mit fortgerissen. Ein geschlagenes Heer kann tags darauf nicht mehr durch eine starke Reserve zum Sieg zurückgeführt werden. Hier befinden wir uns an der Quelle eines höchst wesentlichen Unterschiedes zwischen Taktik und Strategie.
    Es liegen nämlich die taktischen Erfolge, die Erfolge innerhalb des Gefechts und vor seinem Schluß, größtenteils noch in dem Bereich jener Auflösung und Schwächung; die strategischen aber, d. h. der Erfolg des Totalgefechts, der fertige Sieg, groß oder klein, wie er auch sei, liegt schon außerhalb dieses Bereichs. Erst wenn die Erfolge der Teilgefechte sich zu einem selbständigen Ganzen verbunden haben, tritt der strategische Erfolg ein, dann hört aber der Zustand der Krise auf, die Kräfte gewinnen ihre ursprüngliche Gestalt wieder und sind nur um den Teil geschwächt, der wirklich vernichtet worden ist.
    Die Folge dieses Unterschiedes ist, daß die Taktik eines nachhaltigen Gebrauchs der Kräfte fähig ist und die Strategie nur eines gleichzeitigen.
    Kann ich in der Taktik nicht mit dem ersten Erfolg alles entscheiden, muß ich den nächsten Augenblick fürchten, so folgt von selbst, daß ich für den Erfolg des ersten Augenblicks nur soviel Kräfte verwende, als dazu nötig scheinen, und die übrigen aus der Vernichtungssphäre sowohl des Feuers als des Faustkampfes entfernt halte, um frischen Kräften frische entgegenzustellen oder mit solchen geschwächte überwinden zu können. So ist es aber nicht in der Strategie. Teils hat sie, wie wir eben gezeigt haben, nachdem ihr Erfolg eingetreten ist, nicht so leicht eine Rückwirkung zu

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