Vom Mensch zum Vampir
wahrzunehmen, da er wie von Sinnen mit vollen Händen das Essen in sich hineinschaufelte.
Langsam verspürte er ein sich wohlig ausbreitendes Sättigungsgefühl, doch er hatte noch lange nicht vor, aufzuhören und das gute Essen verderben zu lassen.
„Danke, dass du mich aus dem Waisenhaus geholt hast. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich dort gelandet bin. Außerdem ist es total überfüllt. Ich bin wirklich froh darüber, dass ich dort nicht mehr sein muss. Weder gab es so gutes Essen wie hier bei dir, noch durfte ich dort Bier trinken!“, erzählte er im Plauderton und nahm erneut einen kräftigen Schluck Bier, das ihm bereits zu Kopf gestiegen war. Er gab genau das wieder, was ihm Adam zuvor akribisch souffliert hatte.
Endlich lehnte sich Ardric im Stuhl zurück und gab einen zufriedenen Seufzer von sich. Wie es schien, war er satt, denn er rieb sich mit beiden Händen über seinen gewölbten Bauch, der sich nun deutlich unter seinen Gewändern abzeichnete. Adam lauschte seinem Herzschlag, der langsam und schwerfällig pochte.
„Ich bin so müde“, murmelte Ardric mit schläfrigen Augen und schwerfälliger Zunge, denn er hatte sich mit dem Bier einen kräftigen Rausch angetrunken. Unvermittelt klatschte Adam in die Hände, woraufhin gleich eine Heerschar von Bediensteten im Speisesaal erschien und ehrfürchtig zu Boden starrend auf seine Befehle wartete.
„Badet den Jungen gründlich, verbrennt seine Lumpen und steckt ihn ins Bett. Und räumt dieses Chaos vom Tisch ab. Es sieht dort aus wie auf einem Schlachtfeld. Der Anblick ist mir zuwider!“, befahl er seinem Personal herrisch und sah zu, wie sie sich beeilten, seinen Aufforderungen augenblicklich nachzukommen.
*****
Adam van Argyll schlich sich lautlos, wie ein Schatten in Ardrics Zimmer und betrachtete den schlafenden Jungen. In den weißen Laken wirkte er wie ein unschuldiger Engel, dessen blondes Haar wie kostbare Goldfäden aussahen, die sein Gesicht und seine rosigen Wangen sanft umspielten. Sein Anblick traf Adam, denn er war wunderschön und sprühte vor Leben und Sterblichkeit. Eine Beseeltheit, die ihm selbst schon vor etlicher Zeit abhandengekommen war. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie lange er schon ein Dasein im Schatten führte und sich das Leben anderer stehlen musste, um selbst nicht zu sterben.
Vorsichtig zog er die Bettdecke zur Seite und legte Ardrics Oberkörper frei. Beinahe schon andächtig sah er zu, wie das Blut durch seine Adern rauschte und wie sich hier und da sein hüpfender Puls unter der Haut bemerkbar machte. Adam hielt es einfach nicht mehr länger aus. Er beugte sich über den Jungen und gab seinem Verlangen nach. Seine spitzen Zähne gruben sich in das zarte Fleisch. Sogleich quoll ihm süßes Blut in die Mundhöhle und umschmeichelte seinen Gaumen. Adam van Argyll genoss jeden Tropfen der roten Kostbarkeit. Zwar dürstete es ihn nach so viel mehr, doch um den kleinen Kinderkörper nicht zu sehr zu schröpfen, oder gar versehentlich auszusaugen und somit zu töten, musste er sich nach wenigen Schlucken zwingen, seine Triebe zu unterdrücken und sich mit dem zufrieden geben, was er sich nehmen konnte, ohne dem Jungen ernsthaften Schaden zuzufügen.
Das starke Bier hatte seinen Zweck erfüllt, denn Ardric schlief tief und fest und merkte nichts von alledem. Nachdem der Vampir sich ein wenig flüssiges Leben von Ardric gestohlen hatte, spürte er, wie die Wärme und somit auch seine Kraft in seinen Körper zurückkehrten.
Er schloss seine Augen und kostete den Nachgeschmack des Blutes aus, der nur wenige Momente auf seiner Zunge verweilte. Anschließend deckte er den ahnungslosen Blutspender behutsam wieder zu und strich ihm voll väterlichem Stolz eine Strähne aus der Stirn.
Adam konnte es selbst nicht fassen, doch dieser kleine Bauernjunge, dem es an sämtlichen Manieren und Anstand fehlte, machte ihn glücklich. Ein Gefühl, dass er bereits verloren geglaubt hatte und das er nicht mehr missen wollte.
In ihm keimte das sehnlichst brennende Verlangen nach einem Gefährten auf und diese Rolle sollte fortan Ardric übernehmen. Er wollte ihn unterrichten und nach seinen Vorstellungen formen, um ihm eines Tages das Geschenk des ewigen Lebens zu offenbaren.
*****
Jahre vergingen und aus dem einst ungebildeten, kleinen Kind wuchs ein stattlicher, junger Mann heran. Täglicher Hausunterricht in allen wichtigen Angelegenheiten und der ständige Einfluss von Adam, formten Ardric zu einer
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