Vom Mondlicht berührt
das hier nicht«, sagte ich und presste meine Lippen erneut auf seine. Er nahm mein Gesicht in beide Hände, erwiderte den Kuss und dann zog er mich an sich. Unsere Körper schlangen sich umeinander, bis wir völlig verknotet waren und ich nicht mehr sagen konnte, wo ich aufhörte und er anfing.
Seine Hand wanderte am Rücken unter mein T-Shirt und dieses neue Erlebnis, seine warme Hand auf meiner Haut zu spüren, entfachte ein heftiges Verlangen in mir. Ich wollte nicht, dass er aufhörte, ehe er jeden Zentimeter meines Körpers berührt hatte. Je länger er mich streichelte, desto mehr hatte ich das Gefühl, mich auszudehnen. Als wäre mein Körper zu klein für mich geworden und ich würde aus meiner Haut platzen müssen wie eine Supernova.
»Kate.« Vincents Stimme hörte sich weit, weit weg an. »Bist du wirklich bereit? Willst du, dass es jetzt passiert?«
»Ja«, sagte ich automatisch, doch als ich dann meine Augen öffnete, zögerte ich. Vincent hatte sich aufgesetzt, zog gerade sein T-Shirt über den Kopf und entblößte seinen Brustkorb, der von blauen Flecken übersät war – größer und dunkler als die unter seinen Augen. Ich fand sie zwar nicht abstoßend – wenn überhaupt, lösten sie in mir das Bedürfnis aus, ihn zu beschützen –, aber sie waren schockierend genug, den leidenschaftlichen Schleier, der sich über meine Gedanken gelegt hatte, zu lüften.
Wir verstecken beide etwas voreinander. Die Wörter schossen mir mit solcher Klarheit durch den Kopf, dass ich mich fragte, ob sie laut ausgesprochen worden waren.
Und es stimmte. Wir verschwiegen einander beide etwas Wichtiges. Plötzlich schien es so unehrlich, unsere Körper zu vereinen, wenn unsere Seelen so getrennt waren. Unter dieser Voraussetzung möchte ich damit nicht anfangen, dachte ich, deshalb sagte ich, als er mich gerade wieder fest in den Arm genommen hatte: »Warte, Vincent. Ich ... ich bin doch noch nicht bereit.«
Vincent lockerte die Umarmung. Er hielt einen Moment inne, dann kam er mit seinem Mund ganz nah an mein Ohr. »In Ordnung«, sagte er, sein heißer Atem ließ mich wohlig erschauern. »Ich habe schon so lange auf dich gewartet, ich hab’s nicht eilig. Wir können uns alle Zeit der Welt lassen.«
Wir blieben eine Weile reglos liegen und ich genoss es, seinen Körper so nah bei mir zu spüren. Irgendwann lösten wir uns voneinander, aber nur so weit, dass wir uns in die Augen sehen konnten. »Kate, bitte nicht weinen.« Vincent sah besorgt aus.
»Ich weine nicht«, sagte ich und bemerkte erst in dem Moment die Tränen in meinen Augen.
Doch nicht die Frustration hatte sie heraufbeschworen: Ich begehrte Vincent ja nicht nur körperlich. Nicht nur hier und jetzt. Ich wollte ihn ganz, seinen Körper und seine Seele. Und ich wollte, dass die Stunden, die wir zusammen verbrachten, voller Leben und Liebe waren. Und voller Freude darüber, dass wir einander gefunden hatten.
So, wie er da gerade vor mir lag, wirkte es eher so, als würden mir Elend und Tod ins Gesicht lachen. Abgesehen von den Blutergüssen auf seiner Brust, wurde sein schönes Gesicht durch erschöpfte Blässe und diese enormen Ringe unter seinen Augen entstellt. Selbst wenn er immer noch stärker war als jeder andere Junge, den ich kannte, so hatte seine Kraft deutlich nachgelassen.
Ihn so vor meinen Augen verkümmern zu sehen, stellte mir nur eine noch düsterere Zukunft in Aussicht als sowieso schon. So sollte das nicht sein. Wir hatten es lange genug hinausgezögert, jetzt war es eindeutig Zeit, zu reden.
»Du hast was ?«, fragte Vincent fassungslos.
Wir saßen uns mitten auf dem Bett gegenüber. Ich hatte seine Hände fest umklammert, dabei war ich mir nicht sicher, ob ihn dieser Griff beruhigen oder mir die nötige Kraft geben sollte, meine Geschichte zu Ende zu erzählen.
»Vincent, hörst du mir überhaupt zu? Es gibt einen guérisseur. Und die Familie dieses guérisseurs ist schon seit Jahrhunderten mit Revenants vertraut. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Gaspard noch nichts von ihnen gehört hat, weil die Heilerin erwähnt hat, dass es schon Hunderte von Jahren her ist, seit der letzte Revenant sie aufgesucht hat. Das sind ganz neue Erkenntnisse. Vielleicht kann sie uns wirklich helfen.«
»Kate, wie kommst du überhaupt auf die Idee, so etwas ohne mich zu machen? Du hättest dich in ernste Gefahr begeben können, wir reden hier schließlich von meiner Welt. Einer Welt, in der der Tod immer präsent ist.«
»Es ist jetzt auch meine
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