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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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zu töten, kann er durch die übertragene Kraft fliehen und irgendwo Schutz suchen. Du hast ja in der Gasse gesehen, wie stark Arthur war, nachdem er den Numa ausgelöscht hatte. Er konnte trotz seiner ernsthaften Verletzung sofort wieder aufstehen. Weil ihm die Kraft des Numa und gleichzeitig die Energie von Georgia übertragen wurde, hatte er überhaupt keine Schmerzen.«
    Ich nickte und versuchte, diese neuen Informationen zu verstehen. Das meiste, was Revenants taten, um ihr Überleben zu sichern, klang im ersten Moment eigenartig, und doch diente alles einem durchaus vernünftigen Zweck.
    »Das ist aber nur einer der unmittelbaren Vorteile, die man genießt, wenn man einen Numa tötet. Außerdem lindert es das Verlangen, sich für einen Menschen opfern zu müssen.
    Jemand, der den dunklen Weg beschreitet und regelmäßig einen Numa tötet, verliert irgendwann dieses Verlangen. Komplett. Zumindest deuten Gaspard und Violette die alten Texte so. In jüngster Zeit hat es nämlich niemand mehr ausprobiert.«
    »Wieso nicht?« Meine Stimme klang ganz leer. »Weil es gefährlich ist?«
    »Die Sache an sich ist nicht gefährlich.«
    »Wieso dann?«
    »Der Gedanke an sich ist einfach wenig verlockend.« Vincent seufzte schwer. Er wollte wirklich nicht darüber sprechen. »Menschen sind von Natur aus gut. Wenn uns ihre Kraft übertragen wird, profitieren wir von der positiven Energie ihrer angeborenen Güte. Numa sind von Natur aus schlecht, also ist es auch ihre Energie. Wenn wir einen Numa töten, wird die negative Kraft ihres Zorns an uns weitergeleitet.«
    »Diese ... negative ... Numa-Energie ... ist in dir drin?« Ich versuchte, mir meinen Ekel nicht anmerken zu lassen. Vincent hatte völlig recht mit seiner Annahme, dass mich das schockieren würde. Aber ich war nicht nur schockiert. Ich war zutiefst beunruhigt.
    Er nickte und fügte schnell hinzu: »Ja, aber ihr Charakter überträgt sich nicht auf mich. Ich verändere mich dadurch nicht oder werde unberechenbar böse oder so. Die Energie hat bloß diesen unschönen Nebeneffekt.« Er deutete auf die dunklen Flecken unter seinen Augen. »Die bleiben aber nicht für immer. Sie zeigen nur, dass mein Körper widerstandsfähiger wird.«
    »Warum geht es dir dann jetzt noch viel schlechter als letzten Monat?«, platzte es aus mir heraus. »Wenn du widerstandsfähiger wirst, solltest du doch allmählich besser aussehen und nicht schlechter.«
    »Die Texte sagen, dass es funktionieren wird.«
    »Scheiß auf die Texte, Vincent.«
    Ich stand auf und Vincent machte es mir nach. »Ich muss mich bewegen«, sagte ich, in der Hoffnung, dass Bewegung die Gewitterwolken aus meinem Kopf vertreiben würde. Ich war überwältigt. Und ich hatte Angst. Ich wusste ehrlich gesagt nicht mehr, was ich denken sollte.
    »Gehen wir zum Strand«, schlug Vincent vor, nahm meine Hand und führte mich den Hügel hinunter. Bald schon liefen wir über den weichen Sand, die Wellen plätscherten unweit unserer Füße. Ich konnte ihn einfach nicht ansehen, starrte stattdessen die ganze Zeit auf den Boden vor uns.
    »Einen Numa zu zerstören, ist eine ehrenwerte Tat«, sagte er irgendwann. »Der einzige Unterschied ist, dass wir sie normalerweise nicht mit dem alleinigen Ziel jagen und töten, um den dunklen Weg zu beschreiten, sondern um uns zu schützen.«
    Mir war so kalt, dass meine Zähne klapperten, doch ich gab mir Mühe, gelassen zu klingen. »Selbst wenn es für dich ungefährlich ist, scheußliche« – ich verzog das Gesicht – »Numa-Energie zu bekommen, befürchtest du nicht, dass es alle Pariser Numa über kurz oder lang auf deinen Kopf abgesehen haben werden?«
    »Ich picke sie mir heraus, wenn sie einzeln unterwegs sind, und achte darauf, dass mich niemand beobachtet. Ihre Leichen verbrennen wir danach, um keine Spuren zu hinterlassen. Die Numa bemerken nur, dass ein paar Angehörige verschwinden. Sie wissen ja nicht, dass sie umgebracht wurden.«
    Mein Entsetzen ließ sich nun nicht mehr verbergen. Jetzt klapperten nicht mehr nur meine Zähne, sondern mein ganzer Körper bebte. »Wann hast du damit angefangen?«, fragte ich.
    Weil ihm mein Zittern auffiel, blieb Vincent stehen und versuchte, mich an sich zu ziehen, doch ich sträubte mich. Seine Stirn legte sich frustriert in Falten. »Kurz nach Silvester«, antwortete er. »Vor sechs Wochen. Ein paar Numa pro Woche. Jean-Baptiste und Gaspard haben zugestimmt, weil wir ja sowieso häufig unterwegs waren, um eventuelle

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