Vom Mondlicht berührt
Welt.«
Das brachte ihn zum Schweigen. Ich nutzte seine Stille, um ihm die ganze Sache zu erzählen. Angefangen bei den geschwärzten Stellen in den Manuskripten über die Suche nach dem Laden bis hin zu dem signum, das ich in der Schale beim guérisseur entdeckt hatte, und alles, was dann noch folgte. Als ich am Ende angelangt war, glitzerten seine Augen ein wenig. Selbst wenn es kein Hoffnungsschimmer war, dann vielleicht wenigstens ein Fünkchen Interesse.
»Also gut, Kate. Ich gebe zu, das klingt vielversprechend. Aber ich wünschte, du hättest mir vorher davon erzählt. Ich werde ganz verrückt bei dem Gedanken, dass du allein zu jemandem gegangen bist, der ein totaler Spinner hätte sein können. Dir hätte etwas Schlimmes zustoßen können. Oder sogar das Schlimmste. Und ich hätte nicht mal gewusst, wo ich dich hätte suchen müssen.«
»Jules hat mich begleitet.« Ich versuchte, bestimmt zu klingen, doch das Selbstvertrauen, mit dem ich dieses Gespräch begonnen hatte, bröselte nur so dahin.
»Jules?«, rief Vincent ungläubig. »Du hast Jules mitgenommen zu diesem guérisseur ?«
»Na ja, er hat nicht gewusst, wohin er mich bringt – und wozu. Ich habe es ihm erst erzählt, als alles vorbei war.«
Mein Herz sank, als ich den Ausdruck auf Vincents Gesicht sah. Er fühlte sich eindeutig betrogen, weil sein bester Freund und seine Freundin etwas hinter seinem Rücken gemacht hatten.
»Vincent, hör auf!«, beharrte ich. »Ich habe Jules da mit reingezogen. Wenn du auf jemanden wütend sein musst, dann auf mich. Vielleicht hilft es ja, noch zu erwähnen, dass Jules stinksauer war und gesagt hat, wenn ich dir nicht alles erzähle, macht er es. Ich wollte dich damit nicht hintergehen, Vincent. Ich habe etwas gesucht, was uns helfen kann. Uns. Dir und mir.«
»Ich mache doch schon alles, was ich kann, um uns zu helfen.« Vincents Augen funkelten vor Zorn.
»Was denn? Was genau machst du?«, fragte ich. Meine Stimme wurde laut. »Denn so wie es aussieht, schadet es dir mehr, als dass es dir nutzt.«
»Das sagst du nur, weil du nicht weißt, wie es funktionieren soll«, schoss Vincent zurück und rieb sich frustriert die Schläfen.
Ich berührte ihn am Knie. »Dann erklär’s mir.«
Unsere Blicke trafen sich und wir sahen uns lange in die Augen, bevor er hörbar ausatmete. »Gut. Ich brauche noch etwas Zeit zum Nachdenken, aber wir reden heute Abend darüber. Versprochen.«
D er Vormittag verging schnell. Wir schlenderten zu viert durch die kleine Stadt und über den verlassenen Winterstrand. Nach einem fröhlichen Mittagessen, bei dem Geneviève jedes ernste oder deprimierende Thema verboten hatte, gingen wir zum Hafen, wo ein schnittiges blaues Rennboot zwischen zwei wichtigen Luxusjachten vertäut war.
»Wow, ich frage mich, wem das wohl gehört«, grübelte Charlotte. Dann hüpfte sie über die Reling und ließ sich in den Fahrersitz plumpsen. »Alle an Bord!«, schrie sie und bekam einen Lachanfall, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. »Keine Sorge, Kate. Das gehört uns.« Sie klopfte auf den Sitz neben sich. »Komm schon!«
Die folgenden Stunden verbrachten wir damit, an der Küste auf und ab zu düsen. Die Küstenlandschaft wandelte sich zügig von herrlichen Stränden zu schwindelerregenden Felsformationen, die über das Wasser ragten. Irgendwann lehnte Vincent sich zu mir und sagte: »Ich glaube, ich habe dich noch nie so restlos begeistert gesehen.«
»Das ist ja fast wie fliegen«, gestand ich.
»Das sollte ich unbedingt auf meine Dinge-mit-denen-man-Kate-glücklich-machen-kann-Liste setzen«, sagte er zufrieden zu sich selbst. »Rennboote.«
Nach dem Abendessen erhob Vincent sich und nahm meine Hand. »Würdet ihr uns entschuldigen? Kate und ich gehen noch ein bisschen nach draußen«, sagte er an Geneviève und Charlotte gerichtet. Wir verließen die Terrasse über eine Treppe, passierten einen abgedeckten Swimmingpool und traten durch ein Törchen in ein kleines Waldstück. Nach einer Minute erreichten wir einen Felsvorsprung, von dem aus man den perfekten Blick auf den Hafen hatte.
»Seit ich Jean-Baptiste kenne, komme ich hierher«, sagte er und setzte sich an die Felskante. Dann streckte er eine Hand nach mir aus und zog mich neben sich. »Das hier ist wie eine zweite Heimat. Jean-Baptiste hat dieses Haus in den 30er-Jahren bauen lassen, nachdem er Arbeiten von Le Corbusier gesehen hat. Das Haus ist wirklich toll, aber ich komme immer genau hierher – an diesen Punkt
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