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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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Zurückhaltung. Er blickte Vincent kalt an, als wäre er ein Fremder.
    Schließlich ergriff er das Wort. »Was sind Sie?« Die drei Worte klangen spröde, knapp und forderten eine Antwort.
    Vincents Blick zuckte zu mir. Ich sah, dass Papy ihn genau beobachtete, und wusste, es gab keinen anderen Ausweg, als die Wahrheit zu sagen. Vincents Säbel allein hätte ausgereicht, Papy nachhaltig zu alarmieren, die Worte des Numa hatten ihr Übriges getan. Ich nickte Vincent kaum merklich zu.
    »Ein Revenant«, sagte Vincent und sah Papy dabei direkt in die Augen.
    Mein Großvater zuckte bei dem Wort nicht mal. »Und die Männer, die Kate angegriffen haben?«
    »Numa.«
    Das Wort schien in der Luft zu erstarren und dort zwischen uns dreien zu hängen, bis Papys pfeilgerade Antwort es zerschoss. »Raus.«
    »Sir, ich ...«, setzte Vincent an. Gleichzeitig stieß ich »Aber Papy ...« hervor.
    »Raus!« Die Stimme meines Großvaters unterbrach uns. »Verschwinden Sie von hier. Aus dem Leben meiner Enkelin. Wie können Sie es wagen, Kate dieser tödlichen Gefahr auszusetzen? Wie können Sie es wagen, diese Monster durch unsere Tür zu führen? Verschwinden Sie und bleiben Sie verschwunden.«
    »Nein!«, schrie ich, rannte zu Papy, zog an seinem Arm, bis er endlich von Vincent zu mir sah. »Papy, bitte nicht. Vincent ist ...« Tausend Argumente schwirrten mir durch den Kopf, doch jedes einzelne davon war nutzlos. Vincent hat mich beschützt. Oder: Es ist doch schon zu spät, die Numa wissen, wer ich bin. Nichts, was ich sagte, würde meinen Großvater umstimmen, denn er hatte ja recht: Ich war wegen Vincent in Gefahr. Ich entschied mich für eine wahre Äußerung – eine Äußerung, die mein Großvater nicht entkräften konnte. »Ich liebe ihn.«
    Papy befreite seine Arme aus meiner Umklammerung und umklammerte stattdessen mich so fest, als wäre ich nach jahrelanger Abwesenheit gerade wieder bei ihm aufgetaucht. Nach einer Sekunde löste er sich von mir und hielt mich eine Armeslänge von sich. Dann sagte er zärtlich, jedoch mit Nachdruck: »Kate, du glaubst vielleicht, dass du ihn liebst. Aber er ist nicht mal ein Mensch.«
    »Er ist allerdings auch nicht von der schlimmen Sorte«, beharrte ich. »Das sind die anderen.«
    Papy warf einen Blick über meinen Kopf hinweg zu Vincent, der sich kein Stückchen bewegt hatte. »Ich weiß, mein Schatz. Ich habe mich mit ihnen beschäftigt. Nicht mehr und nicht weniger als mit allen anderen Fabelwesen, die in der antiken Kunst auftauchen. Wobei ich nicht geglaubt hatte, dass sie wirklich existieren.« Bei diesem letzten Satz wurde seine Stimme kalt. Ich wandte mich von ihm ab und Vincent zu.
    Vincents Augen – mit denen er noch immer den Blick meines Großvaters hielt – sahen leer aus. »Kate, dein Großvater hat recht. Durch meine bloße Anwesenheit bringe ich dein Leben in Gefahr.«
    Ich hatte das Gefühl, mich hätte jemand an der Kehle gepackt. »Hört sofort auf – alle beide!« Ich stampfte mit dem Fuß auf, woraufhin beide Männer zusammenzuckten, als hätte ich sie geohrfeigt. Endlich schenkten sie mir ihre Aufmerksamkeit, weshalb ich das Wort an mich riss.
    »Papy, Vincent hat mir das Leben gerettet. Er hat letztes Jahr dafür gesorgt, dass ich nicht von dem Fassadenteil auf der Terrasse des Sainte-Lucie erschlagen wurde. Wenn es ihn nicht gäbe, stünde ich gar nicht mehr hier und ihr könntet nicht mehr über mein Wohlergehen streiten.« Noch immer wich die Härte nicht aus dem Gesicht meines Großvaters, aber immerhin entspannten sich seine Hände, die zu Fäusten geballt gewesen waren. Ich wusste, dass er mir aufmerksam zuhörte, deshalb fuhr ich fort.
    »Grandpère«, sagte ich eindringlich, »hättest du lieber wieder die deprimierte, trauernde Kate zurück? Die in der Vergangenheit lebt, wo ihr niemand außer den Geistern ihrer verstorbenen Eltern Gesellschaft leistet? Vincent hat mir nicht nur das Leben gerettet, er hat mir auch den Weg zurück in die Welt der Lebenden gezeigt.«
    »Eine ziemliche Leistung für jemanden, der untot ist«, sagte Papy trocken.
    Vincent stand einfach da und wirkte unschlüssig, was er sagen sollte. Er ließ seine Arme hängen, aber die Handflächen waren zu mir gerichtet, als wollte er mir über die paar Meter, die uns trennten, Kraft schicken. Er macht sich nicht mal Sorgen um sich, dachte ich. Das Einzige, was ihn kümmert, ist, wie ich aus dieser Sache rauskomme. Ich ging zu ihm und schlang ihm meine Arme um den Hals. Er erwiderte

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