Vom Mondlicht berührt
nser Wochenende im Süden lag erst drei Kalendertage zurück, aber es fühlte sich an, als wären bereits drei Wochen vergangen. Vincent war seit unserer Rückkehr durchgehend in Jean-Baptistes Auftrag unterwegs gewesen und ich hatte mich mit Hausaufgaben und einem Kinobesuch – Casablanca – mit Violette auf Trab gehalten.
Wie hatte ich diesen Nachmittag herbeigesehnt, denn Vincent wollte mich in Papys Antiquitätengeschäft besuchen, wo ich mal wieder aushalf. Seit dem Einbruch fand Papy zwar den Gedanken zu gefährlich, dass ich dort allein hinter dem Verkaufstresen stand, doch ich konnte ihn davon überzeugen, wie unwahrscheinlich es war, dass sich die Diebe am helllichten Tag noch einmal blicken lassen würden. Falls sie überhaupt wiederkommen sollten.
Ambrose hatte mich von der Schule hergefahren und war nur widerwillig aufgebrochen; und dann auch nur, weil ich ihm versicherte, dass Vincent nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Papy hatte ihm vorgeschlagen, im Laden vorbeizukommen, um den neuen griechischen Kriegshelm zu bestaunen, den er am Nachmittag abholen wollte. Er nutzte Vincents Interesse für antike Waffen als Vorwand für seine Einladung, wobei das gar nicht nötig gewesen wäre. Die beiden mochten sich aufrichtig und genossen die Gesellschaft des anderen.
Ich streifte durch das Geschäft und schaute mir an, welche Aufräumarbeiten Papy seit Montag geleistet hatte. Die gläsernen Schaukästen waren unmittelbar ersetzt worden, doch es würde noch etwas Zeit brauchen, bis Papy sie wieder neu bestückt haben würde. Die Türglocke läutete und ich hüpfte zur Ladentheke, um den Türöffner zu drücken. Das Grinsen, das sich auf meinem Gesicht in Erwartung von Vincent breitgemacht hatte, gefror mir auf den Lippen, als ich sah, dass es gar nicht er war, der durch die Tür kam. Es waren zwei Männer, die ich noch nie gesehen hatte. Und ich wusste, bevor sie überhaupt ein Wort gesagt hatten, dass es Numa waren.
Sofort standen sie vor mir, den Laden hatten sie im Bruchteil einer Sekunde durchquert. Sie berührten mich nicht. Das brauchten sie auch nicht. Ihre Anwesenheit war bedrohlich genug.
»Was wollt ihr?«, fragte ich. Es klang total piepsig, meine Kehle war so zugeschnürt, als hätte sich eine Boa constrictor um meinen Hals geschlungen. Instinktiv schielte ich nach etwas, mit dem ich mich gegen sie verteidigen konnte. Doch in Greifnähe befand sich absolut nichts und ich bezweifelte stark, dass sie mich weit kommen lassen würden.
»Wir wollen wissen, was sie dir gesagt hat.«
»Wer?«, fragte ich verwirrt.
»Du weißt, wer. Die alte Heilerin. Was hat sie dir über den Meister verraten?«
Ich blinzelte, als ich plötzlich verstand. »Sie hat mir nichts über den Meister verraten.« »Wir wissen, dass du mit ihr gesprochen hast. Ihr Sohn sagt, sie ist verschwunden, und er weiß nicht, wohin.«
»Aber wir behalten den Laden mal lieber im Auge, um sicherzugehen, dass er nicht schwindelt«, höhnte der andere, als wäre das Ganze nichts als ein riesengroßer Spaß.
Meine Angst verflüchtigte sich, stattdessen stieg Wut in mir auf. »Wehe, ihr tut ihnen was zuleide!«, knurrte ich.
Nun starrten mich beide an, verwundert über diesen Ausbruch. Dann trat einer von ihnen mit einem tiefen, bösen Lachen vor und griff nach meinem Handgelenk. Fest. »Wir wollen wissen, was sie dir gesagt hat.«
In diesem Moment hörte ich, wie das Schloss der Eingangstür klickte. Papy kam ins Geschäft, die Tür blieb hinter ihm weit geöffnet stehen. Er trug einen riesigen Karton in den Händen, weshalb er nichts sehen konnte. Zielgerichtet steuerte er quer durch den Laden den Waffenschaukasten an, stellte die Kiste daneben, legte seinen Hut darauf und begann, seinen Mantel abzuschütteln.
»Papy«, schrie ich, meine Stimme unnatürlich schrill.
Er blickte zu mir und erstarrte. »Hände weg von meiner Enkelin«, blaffte er und bewegte sich auf uns zu.
»Keinen Schritt weiter, alter Mann«, sagte der Typ, der mein Handgelenk umklammert hielt, und packte nur noch fester zu.
Mein Großvater blieb stehen, seine Augen wurden schmal. »Sie sind die Kerle von dem Überwachungsvideo«, sagte er. »Sie haben mich doch schon ausgeraubt, was wollen Sie denn noch?«
»Ihre Enkelin braucht uns bloß zu sagen, was sie weiß, und schon sind wir verschwunden, ohne dass jemand verletzt wurde.«
»Niemals«, sagte Papy stur. »Sie verlassen sofort mein Geschäft oder ich rufe die Polizei.« Er zog sein Handy aus
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