Vom Mondlicht berührt
sein Getränk reichte. »Ist irgendwas?«, fragte ich.
»Nein, aber ich fühle mich immer irgendwie ausgeliefert, wenn wir ohne jemanden unterwegs sind, der volant ist und die Gegend im Blick behält.« Er gab sich Mühe, sich zu entspannen, und nickte irgendwann sogar im Takt der Musik. Ich wusste allerdings, dass er sich insgeheim Sorgen machte.
»Diese Gegend ist aber doch sicher, oder?«
»Normalerweise schon. In letzter Zeit gelten jedoch irgendwie andere Regeln. Oder gar keine.« Er begegnete meinem Blick. »Mach dir keine Sorgen. Es wird schon alles gut gehen.«
Als ich Georgia nach dem verhängnisvollen Kampf mit Lucien alles erzählte, was ich über Revenants wusste, hatte sie geschworen, kein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren. Ich wusste, dass Vincents Geheimnis bei ihr gut aufgehoben war. Sicher hatte meine Schwester auch ihre Fehler, aber ein Versprechen brach sie nie. Und das Einzige, was sie interessierte, wenn es um diese Gruppe von Unsterblichen ging, war, dass sie mir nichts antaten.
Nach dem Konzert stellte Georgia uns alle Sebastien vor und natürlich hatte er keinen blassen Schimmer davon, was Vincent war. Und nach fast einem Jahrhundert war Vincent ein absoluter Profi, wenn es darum ging, sich wie ein Sterblicher zu verhalten.
Meine Schwester warf mir einen glücklichen Sieh-mal-unsere-Freunde-verstehen-sich-Blick zu. Ich verabschiedete mich von Jules und Giulianna, die mit einem übermüdeten Ambrose davonzogen. Dann warf ich einen Blick auf die Uhr. Es war fast Mitternacht. In ein paar Stunden würde er kalt wie ein Stein auf seinem Bett liegen. Nicht weiter verwunderlich also, dass er keine Begleitung mitgebracht hatte.
Der Barkeeper verschloss die Eingangstür und fing mit dem Saubermachen an. Wir standen herum und warteten darauf, dass Sebastien alle Verstärker und Kabel zusammensammelte und allmählich fertig wurde. »Du hattest gesagt, ihr wollt danach noch ein bisschen um die Häuser ziehen, aber das dauert ja ewig«, sagte ich irgendwann zu Georgia. »Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die jetzt gern gehen möchte.«
»Sekunde«, sagte sie, hüpfte über Kabel und Equipment zu Sebastien und seiner Band, küsste ihn überschwänglich und besprach sich mit ihm. Ich warf einen Blick Richtung Violette und Arthur, die an der Wand lehnten und so aussahen, als wären sie gerade überall lieber als hier. Wenn ihnen der Abend gefallen hatte, verbargen sie das ziemlich gut. Als wir den Klub endlich durch die Hintertür verließen, folgten sie uns wortlos.
»Ich treffe mich mit Seb und den Jungs noch in einer Bar, die ein paar Straßen weiter liegt. Wollt ihr mitkommen?« Georgia richtete ihre Frage an Vincent und mich, als würden die anderen beiden gar nicht existieren.
»Was meinst du, Kate?«, fragte Vincent. Er legte mir einen Arm um die Schultern, während wir aus dem Gebäude in eine schmale Seitengasse mit Kopfsteinpflaster traten, die uns zurück zur Hauptstraße führen würde.
»Also, ich bin ziemlich müde«, gab ich zu.
»Dann bringen wir dich zu dieser Bar, Georgia, und warten noch mit dir, bis Sebastien kommt«, sagte Vincent und legte seinen freien Arm um meine Schwester.
»Zu einer Revenant-Eskorte sage ich natürlich nicht Nein.« Sie fügte hinzu: »Nicht dass das hier nötig wäre. Die Gegend ist ziemlich sicher.«
»Da erlaube ich mir, anderer Meinung zu sein«, ertönte Violettes Stimme.
Wir folgten ihrem Blick und erkannten sofort vier dunkle Gestalten, die sich auf uns zubewegten. Eine Woge eiskalter Angst durchfuhr mich. Numa. Nachdem sie zwei Monate lang fast unsichtbar gewesen waren, tauchten sie nun ausgerechnet hier auf und wirkten fast übergroß, als sie mit gleichmäßigem Tempo auf uns zustürmten.
Vincent und Arthur zogen ihre Schwerter blitzschnell unter den Mänteln hervor, man sah fast gar keine Bewegung. Wie gut, dass noch Winter ist, dachte ich. Wo versteckt man ein Rapier von fast einem Meter, wenn man bloß Shorts und Flipflops trägt?
Vincent gab mir sein Schwert und griff nach einer weiteren Hiebwaffe unter seinem Umhang, bevor er ihn abschüttelte und zur Seite schleuderte. Violette tat es ihm gleich und einen Moment später blitzte ein Schwert im Schein einer vereinzelten Straßenlaterne auf. Auch sie war heute Abend nicht unvorbereitet aus dem Haus gegangen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Georgia panisch wurde und an den Türklinken der angrenzenden Gebäude rüttelte. Sie fluchte laut und verzweifelt, als ihr bewusst
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