Vom Nehmen Und Genommenwerden
Cocktail aus bestimmten Hormonen gesteuert, Botenstoffe denen wir ausgeliefert sind. Wenn wir Begehren und Lust auch in einer langjährigen Beziehung lebendig halten wollen, hilft es, das Dreieck der Liebe mit seinen Eckpunkten Verliebtheit, Sex und Bindung zu verstehen. Denn wie wir noch sehen werden, sollten wir nicht alles der Natur überlassen, denn die Natur unterstützt uns nicht in allen Belangen, wenn wir heiÃen Sex wollen.
Wenn ein Mann und eine Frau sich attraktiv finden und sich einander näherkommen, sind unbewusste Signale im Spiel, die den Ton beim Flirt angeben. Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass wir beim Flirten stark über die Sinne beeinflusst werden. Die Augen etwa taxieren automatisch, ob das Gesicht symmetrisch gestaltet ist und wie sich Hüfte und Taille zueinander verhalten. Aber auch der Geruch, die Stimme, die Mimik und Gestik sowie die Art, sich zu bewegen, werden registriert und in Bruchteilen von Sekunden bewertet. Flirten durchflutet unseren Organismus mit den Hormonen Dopamin und Noradrenalin, und das macht uns für die Reize des anderen erst empfänglich. Dopamin erhöht dabei die Aufmerksamkeit und lässt uns das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Es sorgt auÃerdem dafür, dass mehr Testosteron produziert wird, ein Hormon, das die Lust auf Sex verstärkt. Verlieben und Verlangen treiben sich also gegenseitig an. Noradrenalin löst die typischen Symptome des Verliebtseins aus wie Herzrasen und Appetitlosigkeit: Es kratzt auf und macht närrisch. Gleichzeitig sinkt bei Verliebten der Serotonin-Spiegel, was zu einer fast zwanghaften Fixierung auf die geliebte Person führt. Das Objekt der Begierde wird zum Zentrum der ganzen Aufmerksamkeit, alles andere erscheint unwichtig. Leidenschaftlich Verliebte können die Gedanken an den anderen nicht abstellen und leiden an Appetit- und Schlaflosigkeit. Im Grunde könnte man diese Euphorie des Verliebtseins auch als einen pathologischen Zustand betrachten â ein neurotisches Verhalten, das kein anderes Ziel kennt als Sex.
Die Ausschüttung der Hormone und die sich gegenseitig aufschaukelnde Wirkung von Dopamin und Testosteron sind der biologische Garant für heiÃen Sex. Und genau hier hat die Natur, die auf nichts anderes aus ist als auf Fortpflanzung, einen genialen Trick eingebaut: Durch Sex oder besser durch den Orgasmus wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet, das bei der Frau die Mutter-Kind-Bindung stärkt, und auÃerdem Vasopressin, das ein Gefühl von Nähe und Geborgenheit begünstigt und beim Mann den Vaterinstinkt weckt. Das Ausleben der sexuellen Lust führt also unweigerlich zu Wohlgefühl und Bindung. Diese wiederum dämpfen das sexuelle Begehren. So wird klar, dass, auf der hormonellen Ebene Leidenschaft und dauerhafte Bindung nicht zusammenpassen.
»Droge Liebe« â Wie unbewusste Kräfte wirken
»Es war einmal â¦Â«. Ob wir es gerne hören oder nicht: Liebesgeschichten, auch die eigene, sind immer ein Stück weit archetypisch, das heiÃt, sie folgen einem »Programm«, dem wir zumindest in der Anfangsphase mehr oder weniger »aufsitzen«. Das, was wir durch die rosarote Brille des Verliebten als einmalig erleben, ist in Wirklichkeit ein fest umrissener Komplex aus biologischen, hormonellen und psychologischen Faktoren. Diese magische Mixtur versetzt uns in einen Ausnahmezustand, der nicht von Dauer sein kann. Doch kaum jemand ist bereit, das zu akzeptieren. Im Gegenteil: Um diesen Zustand herum erschaffen wir uns eine eigene Welt, wie wir sie aus Literatur und Film kennen. Wir sprechen vom romantischen Liebesideal, bei dem wir unseren Partner vergöttern. Wir wollen unseren Partner nicht so sehen, wie er wirklich ist, sondern projizieren unsere eigene Verliebtheit auf ihn.
Die rosarote Brille müssen wir spätestens dann abnehmen, wenn die Hormone sich nach ein paar Monaten oder Jahren beruhigt haben und unsere Projektionen ins Leere laufen müssen, weil wir den anderen mittlerweile besser kennengelernt haben â mit all seinen Schwächen und Fehlern. Der Film »Une liaison pornographique« von Frédéric Fonteyne (1999) zeigt dies sehr eindrücklich: Am Anfang vereinbaren die beiden Hauptfiguren, sich nur anonym zu begegnen, und es öffnen sich ihnen über die Sexualität bisher unbekannte Räume. Dann aber werden sie von der Sehnsucht nach Intimität,
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