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Vom Nehmen Und Genommenwerden

Titel: Vom Nehmen Und Genommenwerden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter A. Schroeter , Doris Christinger
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die Welt kommen, sind sie noch tief verbunden mit ihrer Essenz. Das psychisch-spirituelle Gedeihen des Kindes erfordert von uns Eltern oft mehr, als wir geben können. Nicht immer gelingt es, uns auf alle Bedürfnisse eines Babys einzustellen und die Entwicklung seines Wesens optimal zu unterstützen. Nicht selten erwarten wir sogar, dass sich ein Kind in dieser ersten Lebensphase uns anpasst und nicht wir ihm. Wir lassen es schreien, weil es sich an bestimmte Stillzeiten halten soll. Wir liebkosen und bedrängen es, weil es uns gerade in den Sinn kommt und wir damit unsere Bedürfnisse nach Liebe befriedigen. Wir übersehen dabei, dass ein Kind seinen inneren Impulsen folgt und selbst bestimmt, wann es der Mutter zulächelt, mit seinen Händen spielt, der Spieluhr lauscht oder die Umgebung betrachtet. Ein Kind muss über Kontaktaufnahme und Kontaktabbruch selbst entscheiden dürfen, und wir als Eltern sollten uns darauf einstellen und es dabei bestätigen und unterstützen. Dabei lernt es, sich selbst besser zu empfinden. Es entwickelt Selbstvertrauen und Freude am Leben. Doch stattdessen verlangen wir in dieser frühen Phase von unserem Kind, sich auf unsere Bedürfnisse einzustellen. Vielleicht haben wir Angst, das Kind zu verhätscheln, und gehen deshalb nicht einfühlsam auf seine Lebensäußerungen ein, sondern verlangen, dass es sich einfügt und anpasst. Jeder von uns hat als Kind die eine oder andere Erfahrung gemacht, bei der unsere Bedürfnisse missachtet wurden und wir, anstatt zu bekommen, schon sehr früh geben mussten. Dadurch ging der Kontakt zu dem, was uns einzigartig macht, mehr und mehr verloren. Diese sehr frühe Trennung von der Essenz, so schmerzlich sie ist, ist im Grunde unvermeidlich. Denn alle Eltern, auch wenn sie nur ihr Bestes geben, wirken immer auf die eine oder andere Art und Weise auf ihr Kind ein, indem sie ihre eigenen Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen auf es projizieren. Zusätzlich nimmt das Kind, weil es noch völlig abhängig von den Eltern ist, alle ihre Gefühle und Stimmungen in sich auf, gleichgültig, ob das seinen Bedürfnissen entspricht oder nicht. Jedes Kind liebt seine Eltern bedingungslos und schenkt ihnen seine Essenz, um zu dem zu werden, was sie sich wünschen.
    Wenn wir schon selbst in bester Absicht nicht verhindern können, Spuren in unseren Kindern zu hinterlassen, um wie viel dramatischer sind die Folgen, wenn wir es mit abwertenden, überkritischen, verletzenden oder gar gewalttätigen Eltern zu tun haben! Das Kind nimmt alle Frustrationen, Spannungen und negativen Energien der Eltern auf und verbarrikadiert und blockiert gleichzeitig seine eigene Essenz. Anfangs gelingt es ihm, immer wieder zu seiner ursprünglichen Lebendigkeit zurückzukehren. Doch wenn es wiederholt verletzt, erniedrigt oder gedemütigt wird, verliert es immer mehr den Kontakt zu seiner Essenz. Je häufiger die Verletzungen stattfinden, desto mehr erstarrt seine Lebendigkeit. Es baut Kontrollmechanismen auf allen Ebenen auf. Körperlich zeigt sich das zum Beispiel durch muskuläre Verspannungen wie das Hochziehen der Schultern, was zu Nacken- und Rückenschmerzen führt. Vielleicht macht das Kind ein verbissenes Gesicht, was einen verspannten Kiefer oder Zähneknirschen zur Folge hat, oder es blockiert die Atmung, was sogar zu Verdauungsproblemen führt. Auf der emotionalen Ebene werden einige Gefühle über-, andere unterbewertet. So ist der eine zum Beispiel zu nahe am Wasser gebaut, der andere überängstlich, dickköpfig oder verwirrt. Die meisten unterdrücken Wut und Zorn und werden stattdessen zu netten und angepassten Kindern. Auf der geistigen Ebene übernehmen sie bestimmte Glaubensmuster wie »Ich bin nicht liebenswert«, »Die Welt da draußen ist nichts für mich, sie ist gefährlich, und ich kann niemandem trauen«, »Nur wenn ich Leistung erbringe, werde ich geliebt«. Wir sehen darin eine Abwehrstruktur gegen die ursprüngliche Lebendigkeit.
    In einem nächsten Schritt ersetzt das Kind die verlorene Qualität durch etwas, das dieser sehr nahekommt. Zum Beispiel pure Lebensfreude durch Scheinoptimismus, Mitgefühl durch Überempfindlichkeit oder Draufgängertum, eine tiefe Hingabefähigkeit durch manipulierende Liebe. Mit der Zeit ist das Kind nicht nur überzeugt, dass diese Ersatz-Qualitäten seine Essenz ausmachen, es identifiziert

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