Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
blicke ich in ein Paar eisblauer Iriden.
Bei dem Anblick zucke ich zusammen, weiche zurück und versuche zu flüchten. Doch sowie ich mein eigenes Spiegelbild erkenne, wird mein ganzer Körper wieder schlaff.
»Hey, vorsichtig.« Er schiebt mich erneut auf den Sitz.
Auf den … Toilettensitz?
Ich richte mich auf, sehe mich verwirrt um und frage mich, was ich hier tue, in dieser Klokabine, und warum Dace bei mir ist.
Ich will aufstehen, doch mein Kopf ist zu benommen und erlaubt es nicht, und so sacke ich im nächsten Moment abermals zusammen. Ich komme so ungeschickt auf, dass mein Fuß gegen etwas stößt, das daraufhin über den Boden rollt.
Ein Glas.
Ein leeres Glas.
Und dann fällt es mir wieder ein. Mir fällt alles wieder ein.
»Ich muss los.« Ich versuche, ihn mit aller Kraft beiseitezuschieben, was in meinem geschwächten Zustand allerdings nicht viel heißen will. Visionen von Kojoten, Dämonen und lange verblichenen Richters wogen durch meinen Kopf. Als ich zu dem Teil komme, wo Cade sich schleimige, blutige Brocken von den Fingern leckt, sage ich es noch mal und schiebe diesmal fester. Doch zumindest für den Moment ist er stärker als ich.
»Ganz ruhig«, sagt Dace in leisem, besänftigendem Singsang – eine Melodie, die er nur für mich summt. »Es hat keine Eile. Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst, um deine Kräfte zu sammeln und dich wieder zu orientieren.«
»Nein. Wirklich – ich muss …« Ich sehe ihn an und habe keine Ahnung, wie ich es erklären soll. »Ich muss Xotichl finden«, sage ich. Es ist der erste vernünftige Gedanke, der mir in den Sinn kommt.
»Xotichl ist weg.« Er blinzelt nachdenklich. »Der Club hat schon vor einer Weile geschlossen. Ich habe nur noch eine letzte Runde gedreht und dich gefunden. Was ist denn passiert?«, fragt er fürsorglich.
»Ich …«
Ich habe mich mit einer Kakerlake verschmolzen – und dann bin ich als blinder Passagier auf dem Bund der Calvin-Klein- Unterhosen deines Zwillingsbruders mitgereist – und nachdem ich ihn mit einem Dämonkojoten spielen und blutige Brocken habe naschen sehen, die entweder von Tieren oder von Menschen hätten stammen können, hat er die lebenden Toten mit leuchtend weißen Kugeln gefüttert – und dann hat er mich unter seinem Absatz zertreten …
»Ich weiß es nicht genau«, sage ich, während ich meinen Kopf dazu zwinge, sich besser zu fühlen, damit sich nicht mehr alles um mich herum dreht. »Ich muss irgendwie ohnmächtig geworden sein oder so …« Ich winde mich innerlich
vor Abscheu angesichts meiner Lüge, aber ich weiß, dass ich ihm niemals die Wahrheit gestehen darf.
Ich versuche aufzustehen und tue so, als sähe ich nicht, dass er mir hilfsbereit eine Hand hinhält. »Ich muss jemanden anrufen, der mich abholt.« Während ich nach meinem Telefon krame, ist mir unwohl dabei, Paloma oder Chay zu dieser späten Stunde zu belästigen, doch sie sind so ungefähr meine einzige Rettung.
»Sei nicht albern. Ich fahre dich.« Dace folgt mir aus der Kabine und sieht zu, wie ich erst Palomas und dann Chays Nummer wähle und verdutzt aufs Display schaue, als keiner von beiden drangeht. Es ist unbegreiflich.
»Daire, warum willst du dir nicht von mir helfen lassen?«, fragt er. Mein Name aus seinem Mund klingt genau wie in dem Traum. Unsere Blicke begegnen sich im Spiegel, meiner erstaunt, seiner bekümmert. »Ja«, sagt er. »Ich hab mich umgehört. Deinen wirklichen Namen rausgekriegt. Jetzt erschieß mich.«
Und als er lächelt, als er lächelt und sich nervös mit der Hand durch sein dunkel glänzendes Haar fährt, bin ich allen Ernstes versucht, den Kopf zu schütteln und erneut abzulehnen.
Er mag ja den Namen Whitefeather tragen, aber im Prinzip ist er trotzdem ein Richter. Ein guter Richter – ein netter Richter, aber trotzdem muss ich tun, was ich kann, um ihm aus dem Weg zu gehen. Und diesen unwiderstehlichen Strom von Freundlichkeit und Wärme zu ignorieren, der ihn wie ein Kokon von allen Seiten umgibt.
Ich muss mich ein für alle Mal von diesen Träumen befreien. Wir sind nicht miteinander verbunden. Und wir sind auch nicht vom Schicksal füreinander bestimmt. Ich bin eine Suchende – er ist der Abkömmling eines Richters –, und meine
einzige Bestimmung ist es, seinen Bruder davon abzuhalten, zu … was auch immer er vorhat.
Aber zuerst einmal muss ich nach Hause. Und es lässt sich nicht bestreiten, dass ich es wesentlich schlechter treffen könnte, als vom
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