Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
wahrscheinlich nicht. Er ist Cades Geisttier, und sie haben eine enge Verbindung zueinander.
Doch als er seine lange Schnauze auf mich zuschiebt – als seine Nüstern zu zittern beginnen und sein Knurren intensiver wird –, bin ich zutiefst erleichtert, dass Cade das Ganze falsch interpretiert.
»Keine Sorge, du weißt ja, dass ich mit ihr fertigwerde.«
Er senkt das Gesicht zu Kojote herab und reibt liebevoll die Nase an seiner. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich sie davon überzeugt habe, dass wir zusammen viel mehr bewirken können. Dass es viel besser ist, Frieden zu schließen, statt Krieg zu führen. Allerdings ist sie zäher, als ich dachte. Und hübscher. Es wird nicht leicht sein, sie zu überzeugen – aber es muss ja nicht immer alles leicht sein. Der Lohn ist so viel köstlicher, wenn man eine kleine List dazu braucht – und Mann, sie ist echt süß. Genau das, was ich mir erhofft habe.«
Kojote wirft den Kopf in den Nacken und heult. Dann dreht er sich ein paar Mal schnell um die eigene Achse, ehe er sich zu Cades Füßen legt und voller Vorfreude mit dem Schwanz auf den Boden schlägt. Es ist eine eingeübte Vorstellung, ein altbekanntes Ritual, das Cade veranlasst, auf eine große Kühlbox zuzugehen, die ich bis jetzt gar nicht registriert habe.
Er klappt den Deckel auf und holt eine große Kristallschale heraus, die mit dunklen, blutigen Teilen gefüllt ist. Anblick und Geruch des Ganzen versetzen Kojote in eine regelrechte Raserei.
Ich linse über die Gürtelschlaufe, weil ich unbedingt besser sehen will. Da überfällt mich der Geruch von etwas so Fauligem, dass die primitivsten Instinkte der Kakerlake einsetzen: wahllos abgehackte Fleischstückchen – von Tieren oder Menschen –, etwas, was mich ebenso abstößt, wie es die Kakerlake vor Verlangen in den Wahnsinn treibt.
Cade kehrt zur Couch zurück, stellt die Schale auf den Glastisch vor sich und fährt mit den Fingern hinein. Verführerisch streckt er die Hand aus und lockt Kojote mit einem Haufen fauliger, blutiger Brocken. Seine Miene strahlt vor Stolz, als das Tier ihm alles mit erstaunlichem Zartgefühl aus der Hand frisst.
Kojote leckt sich das Maul und gibt ein kurzes Jaulen von sich, das wie eine Kreuzung aus Knurren und Bellen klingt, dann dreht er sich erneut mehrmals um sich selbst – seine Art, um einen Nachschlag zu bitten.
Die Vorstellung amüsiert Cade. »Du weißt genau, wie man es anstellen muss«, lacht er. »Hol die anderen, dann ist auch mehr für dich drin.«
Kojote gehorcht und streift von einem Raum zum nächsten, bis ich ihn aus den Augen verliere. Und so bleibe ich allein mit Cade, der sich auf dem Sofa zurücklehnt und sich selbst einen Snack gönnt. Er fasst mit der Hand in die Schüssel und zieht ein langes, sehniges Stück Igitt heraus, das er sich schnell in den Mund fallen lässt. Einen Moment lang schließt er die Augen und kostet den Geschmack aus, bevor er sich genüsslich die bluttriefenden Finger abschleckt und die Hand ein zweites Mal in die Schüssel taucht.
Sechsunddreißig
I ch krieche unter Cades T-Shirt. Mit äußerster Vorsicht klammere ich mich an den Stoff, nicht an ihn. Es hätte mir gerade noch gefehlt, ihn auf mich aufmerksam zu machen. Nach dem, was ich gerade mit angesehen habe, betrachtet er mich womöglich weniger als Störenfried, sondern mehr als ein leckeres Häppchen.
Es ist riskant, ihm so dicht auf die Pelle zu rücken. Aber ich gehe das Risiko ein. Es darf nämlich keinesfalls so weit kommen, dass mich die Instinkte der Kakerlake überwältigen und ich mich auf die Pirsch nach einem kleinen Mitternachtssnack mache.
Wenn das unter meiner Aufsicht passieren würde, ich würde es nicht verkraften. Gegen so etwas gibt es einfach nicht genug Zahnpasta und Mundwasser auf der Welt.
Unter dem T-Shirt kommt mir das Warten viel länger vor. Wahrscheinlich, weil es nicht viel anderes zu sehen gibt als den flackernden Lichtschein der Fackeln, die den dünnen Stoff durchdringen und den Bund der schwarzen Boxershorts mit der Aufschrift »Calvin Klein« beleuchten wie eine Reklametafel. Außerdem steigt mir der penetrante Geruch eines moschuslastigen Deosprays für Männer in die Nase – und obwohl ich ihn zuerst abstoßend fand, muss ich jetzt, nach einer Weile, zugeben, dass er viel dazu beiträgt, den schrecklichen Gestank der Schüssel mit den Fleischabfällen zu überdecken.
Mit der Zeit wird mir so langweilig, dass ich am liebsten ein Nickerchen machen würde,
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