Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
warum es mir vielleicht etwas bedeutet. »Das kann ich gar nicht bestreiten. Aber es ist auch der erste Ort, an dem ich das Gefühl habe, dass ich hierhergehören könnte. Es ist das erste Mal, dass ich je das Gefühl hatte, ein richtiges Zuhause zu haben.«
Sie setzt zum Sprechen an, wahrscheinlich um sich und all die Entscheidungen, die sie in den letzten sechzehn Jahren getroffen hat, zu verteidigen, doch dafür ist später noch genug Zeit. Zuerst muss sie mich anhören, solange ich noch die richtigen Worte dafür habe.
»Ich weiß, du hast immer versucht, mich vor dem quälenden Schmerz zu bewahren, den der Verlust der Dinge, Menschen und Orte mit sich bringt, die man ins Herz geschlossen hat – aber weißt du was, Jennika? Das ist keine Art zu leben. So weh es auch tut, etwas zu verlieren, das man liebt, viel größer ist doch die Freude, es erleben zu dürfen, solange man es hat.« Ich sauge den Atem ein und suche ihren Blick. Was ich gerade gesagt habe, ist das Gegenteil dessen, was ich bisher für meine Überzeugung gehalten hatte, doch jetzt wird mir klar, dass es stimmt. »Und ich weiß, dass du es gut gemeint hast, ich weiß, dass du lediglich versucht hast, mich vor den Gefühlen zu bewahren, die dich gequält haben. Und wer weiß, vielleicht hast du mir auch eine Menge Leid und verletzte Gefühle erspart. Aber was ich weiß, ist, dass ich gern ein Teil von etwas sein möchte. Ich bin gern ein Mitglied einer Familie, einer Gemeinschaft, Mann, sogar einer Schule. Es kümmert mich nicht, wenn es öde ist – es ist mir egal, dass es weder Trubel noch Glamour gibt. Das hier ist der Ort, wo meine abuela wohnt. Eine Frau, die mir ein Zuhause gegeben
hat … und einen Lebenszweck. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich …«
»Einen Lebenszweck ?« Jennika blinzelt, legt den Kopf schief und kommt einen Schritt näher. »Und was soll das bitte sein? Möchtest du ihren Garten übernehmen? Als Kräuterheilerin bei ihr in die Lehre gehen? Ich hatte mir deutlich mehr für dich erhofft, Daire.«
Der empörte und fassungslose Blick, mit dem sie mich ansieht, sagt mir, dass ich zu weit gegangen bin. Das hätte ich nie sagen sollen – ich hätte mich bremsen müssen, ehe ich mich verplappert habe.
»Vergiss es«, erwidere ich. »Vergiss es einfach.« Ich tätschele Kachina ein letztes Mal und mache mich auf den Rückweg zum Haus. »Am besten bringst du mich jetzt zur Schule«, sage ich, wobei ich ihrem Blick ausweiche. »Um acht Uhr läutet es zur ersten Stunde.«
Einundvierzig
S owie ich durch das hohe Eisentor trete, halte ich Ausschau nach Cade. Doch erst als ich mittags im Flur Xotichl begegne, erfahre ich, warum ich ihn bisher nicht habe finden können.
»Und, nimmst du auch am Día de los Muertos teil?«, fragt sie und setzt somit erneut ihre unheimliche Fähigkeit ein zu wissen, dass ich vor ihr stehe, noch ehe ich einen Ton gesagt habe.
»Sag bloß nicht, ich strahle immer noch diese Energie einer neuen Schülerin aus?«, sage ich und beobachte, wie sie ihren Spind zuschlägt und mit dem Stock auf den Boden tippt, um den Raum zwischen ihren und meinen Stiefeln abzumessen.
»Jetzt wirkt es eher wie eine nervöse, paranoide Energie – was ist denn los?«
Ich sehe mich im Flur um und weiß, dass ich eigentlich erwähnen sollte, was mit Paloma passiert ist, aber da ich sie nicht aufregen will, erwidere ich nur: »Ich halte ein bisschen Ausschau nach Cade, Lita und der Fiesen Front. Ich würde lieber sie ausmachen, ehe sie mich ausgemacht haben.«
»Keine Sorge.« Sie lächelt. »Cade ist nicht da, und bei den anderen bin ich mir ziemlich sicher, dass sie von deiner Nähe zu Hollywood viel zu beeindruckt sind, um dich anzugreifen. Aber das beantwortet noch nicht meine Frage. Der Tag der Toten – bist du dabei?«
»Bei was?« Ich mustere ihren schicken blauen Pulli und die Jeans und staune ein weiteres Mal darüber, wie hübsch sie ist. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als dabei zu sein, um zu verfolgen, was sich am Día de los Muertos abspielt, aber vielleicht nicht in dem Sinne, wie sie es gemeint hat.
»Wahrscheinlich hast du gemerkt, dass wir Halloween mehr oder weniger überspringen und direkt zum Tag der Toten übergehen. Es erfasst die ganze Stadt, also kannst du der Sache nur aus dem Weg gehen, wenn du abreist. An manchen Orten wird die ganze Woche gefeiert, aber hier in Enchantment warten wir bis zum letzten Tag, dem zweiten November. Dann maskieren sich alle und trinken,
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