Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
besser geht. Wenn ich sicher weiß, dass sie sich erholt hat, dann gern – wie du willst. Aber nicht vorher.« Ich hoffe, dass sie die Lüge hinter meinen Worten nicht erkennt. Was Paloma mir erzählt hat, hat mich bis ins Mark erschüttert, doch das kann ich ihr unmöglich erklären.
Wenn es Paloma besser geht – und es wird ihr bald besser
gehen – es muss einfach sein, denn ich schaffe das nicht ohne sie –, wenn der Tag gekommen ist, können Jennika und ich aufs Neue verhandeln.
Ich lasse mich auf den Stuhl fallen, den der Medizinmann freigemacht hat, als er mit seinem Helfer und Chepi im Schlepptau hineingegangen ist. Ich bin fest entschlossen, hier auszuharren, bis Paloma überm Berg ist. Doch schon bald legt mir Chay eine Hand auf die Schulter und besteht darauf, dass ich nach Hause gehe.
»Schlaf ein bisschen«, sagt er. »Es hat ihr viel bedeutet, dich zu sehen, aber jetzt, nachdem du bei ihr warst, kannst du nichts mehr weiter tun. Leftfoot, der Medizinmann, versucht sein Möglichstes. Es ist wesentlich wichtiger, dass du dich vor der Schule noch ausruhst.«
So wie er das Wort Schule ausspricht, glaube ich, dass er das Gleiche denkt wie ich: Schule bedeutet Cade, und den muss ich unbedingt im Auge behalten.
Schule bedeutet aber auch Dace, doch daran darf ich momentan gar nicht denken.
Es dauert nicht lange, da hat er Jennika und mich wieder in den Mietwagen bugsiert und versprochen, beim ersten Anzeichen einer Veränderung sofort anzurufen. Jennika seufzt lange und laut, während sie losfährt, und setzt ihre Seufzerei den ganzen Weg zurück zu Palomas Haus fort, obwohl ich mich nach Kräften bemühe, es zu überhören.
Ich warte lediglich ab, bis sie endlich anhält, wünsche ihr rasch eine Gute Nacht und gehe in mein Zimmer. Dort finde ich vor meinem Bett eine wunderschöne holzgeschnitzte Truhe, die mir Paloma hingestellt haben muss, ehe sie zusammengebrochen ist.
Ich streiche mit den Händen über den Deckel, und mir schnürt es die Kehle zu, als ich hineinsehe und feststelle, dass
darin die gleichen Gegenstände liegen, die sie auch in ihrem Arbeitszimmer hat. Es gibt eine kleine, in Schwarz und Weiß bemalte Raulederrassel an einem langen Holzstock, eine große Trommel, über deren runden Holzrahmen sich das Gesicht eines violettäugigen Raben spannt; drei herrliche Federn mit Anhängern, die sie als eine Schwanenfeder mit Verwandlungskräften, eine Rabenfeder mit Zauberkräften und eine Adlerfeder zum Senden von Gebeten ausweisen; dazu noch etwas, was aussieht wie ein Pendel mit einem Stück Amethyst am Ende. All das liegt auf einer weichen, handgewebten Decke, daneben eine kleine, weiße Karte von Paloma, auf der sie schreibt:
Nieta,
das sind nur ein paar der Werkzeuge, die du auf deiner Reise als Suchende benötigen wirst. Schon bald werde ich dich leh- ren, wie man sie benutzt – ihre Macht wird dich verblüffen! Ich bin ja so stolz auf dich.
Paloma
Ich sehe auf die Karte hinab, während in meinen Augen ungeweinte Tränen brennen, und frage mich, ob Paloma noch lange genug leben wird, um mich zu unterrichten. Abgesehen von der Rassel habe ich keine Ahnung, was ich mit den Sachen anfangen soll. Anstatt wie jemand, der angeblich von ungenutztem Potenzial strotzen soll, fühle ich mich eher wie das Gegenteil davon. Machtlos. Nutzlos. Ohne die geringste Ahnung, wie ich die Begabungen meines familiären Erbes zu Tage fördern soll. Außer Stande, mehr zu tun, als mich ermattet aufs Bett fallen zu lassen.
Jennika hatte Recht.
Sie hatte die ganze Zeit Recht.
Wenn Verlust sich so anfühlt, dann hätte ich ihn lieber nie kennen gelernt.
Dann wäre ich lieber nie hierhergekommen – und nie so leichtsinnig gewesen, so viel Zuneigung zu entwickeln.
Dieses schreckliche Gefühl geht weit über Kummer hinaus – es setzt mich völlig außer Gefecht.
Es hat aus mir eine taube, erstarrte Hülle gemacht, so dass ich zusammengekauert auf dem Bett liege und mich gezielt dazu ermahnen muss, ein- und auszuatmen.
Ich rolle mich zu einer Kugel zusammen und versuche, meine Gedanken zu stoppen und mein Herz zu verschließen. Ich zerre mir die Decke über den Kopf, um das Zimmer auszublenden, da mich alles darin an Paloma erinnert. Doch es hat keinen Zweck. Der Fliederduft des Waschmittels, der in der Bettwäsche hängt, macht mir das ebenso unmöglich wie der Traumfänger am Fenster. Es genügt, um das Bild von ihr heraufzubeschwören, das ich von ihr verinnerlicht habe – freundlich,
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