Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
liebevoll und voller Zutrauen, dass ich mich meinem Geburtsrecht gewachsen zeigen werde. Aber ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll.
Laut Paloma brach bisher jedes Mal, wenn der El-Coyote-Clan es geschafft hatte, in die Unterwelt vorzustoßen, in der Mittelwelt Chaos aus. Und jetzt, wo sie sich die Macht und die Wirrnis des Día de los Muertos zu Nutze machen wollen, um sämtliche wiederauferweckten Ahnen zum Durchdringen der Unterwelt einzusetzen – mit mehr Macht als je zuvor –, weiß ich nicht, wie ich sie noch aufhalten soll.
Ich muss etwas tun, doch ich habe keine Ahnung, was. Keine Ahnung, wie ich gegen Cade und seine Armee untoter Ahnen bestehen soll.
Ausgeschlossen, dass ich sie schlagen kann. Mann, ich habe ja noch nicht mal meine Initiation als Suchende vollständig
abgeschlossen. Trotzdem muss ich einen Weg finden, sie zu bekämpfen. Ich kann sie nicht gewinnen lassen.
Ich betrachte das Foto meines Vaters und denke daran, wie Paloma gesagt hat, dass er überall sei und ich ihn jederzeit ansprechen könne. Aber ohne Palomas Anleitung, ohne sie an meiner Seite kann ich seine Gegenwart irgendwie nicht heraufbeschwören.
Ohne sie wirkt das Haus maßlos leer und einsam. Eine kalte, hohle Hülle, die nur meine Unfähigkeit vervielfacht, mit alldem umzugehen.
Zu aufgedreht, um zu schlafen, ziehe ich mich wieder an und gehe hinaus. Ich besuche Kachina in ihrem Stall und fühle mich gleich ein klein wenig besser, als sie den Kopf hebt, mit den Hufen scharrt und zur Begrüßung leise schnaubt, sowie sie mich kommen sieht. Ihre Reaktion auf mich ist wesentlich begeisterter als die meiner neu adoptierten Katze, die sich zwar in Kachinas Nähe offenbar absolut wohlgefühlt, jedoch bei meinem Erscheinen sofort die Flucht ergriffen hat.
Im Stall fülle ich Kachinas Futtertrog und ihr Wasser auf, dann stelle ich mich einfach neben sie, schaue ihr beim Fressen zu und erzähle ihr all das, was ich mir selbst nicht einzugestehen wage.
Meine lange Liste von Sorgen dehnt sich immer weiter aus, bis ich jedes Zeitgefühl verloren habe. Und ehe ich mich’s ’s versehe, ziehen sich breite orange- und pinkfarbene Bänder über den Himmel. Die Sonne geht auf. Plötzlich steht Jennika im Stall und sieht hektisch zwischen Kachina und mir hin und her. »Häng dich bloß nicht zu sehr an sie.«
Ich tue so, als würde ich sie nicht hören, denn ich habe keine Lust, diese Debatte erneut zu beginnen. Doch trotz der ausgezehrten Wangen und der violetten Halbmonde unter
ihren Augen – die Folge zu vieler schlafloser Nächte – hat Jennika eindeutig nichts von ihrem Elan eingebüßt.
Sie reicht mir einen Becher frischgebrühten Kaffee, den ich gern annehme. Ich genieße den köstlichen Duft, der von dem Gebräu aufsteigt, während sie weiterspricht. »Es ist mir ernst damit, Daire. Ich weiß, dass du dir einbildest, du könntest es mir ausreden. Ich weiß ganz genau, was du im Schilde führst. Doch sobald es Paloma besser geht, und damit meine ich exakt in der Sekunde, in der wir die entsprechende Nachricht erhalten, verschwinden wir beide von hier. Das heißt, du wirst deinem Pferd, dem Haus, dem Jungen und allem anderen Auf Wiedersehen sagen müssen. Es war von Anfang an klar, dass das hier nur vorübergehend ist – ich dachte, das wusstest du?«
Ich schlürfe meinen Kaffee, blicke gen Himmel und schweige verstockt.
»Ehrlich, ich kapier’s nicht. Was findest du an diesem Ort? Worin liegt sein Reiz? Gibt es hier irgendetwas, was mir entgangen ist? Denn soweit ich gesehen habe, ist es eine sozial zurückgebliebene Müllhalde.«
Ich wende mich zu ihr um, mustere ihr bleiches Gesicht und den dicken Pulli, der ihr zu groß ist. Er hängt derart sonderbar auf ihren Schultern, dass sie darin so klein und verletzlich aussieht, wie ich mich momentan fühle. »Dann ist es eben eine Müllhalde«, entgegne ich und klammere mich an meinen Kaffeebecher, während ich mich wieder von ihr abwende und den Garten betrachte. Vor mir sehe ich nichts anderes als die Liebe, die Sorgfalt und die Hingabe, mit der Paloma alles hier angelegt hat – eine private Oase inmitten der Wüste –, doch all das entgeht Jennika. Sie sieht nichts weiter als ein Pferd, üppig wuchernde Pflanzen, eine sonderbare, mit Salz gezogene Grenzlinie innerhalb eines sonderbaren
Kojotenzauns innerhalb einer dicken Ziegelmauer. Die Magie bleibt ihr komplett verborgen. Doch das heißt nicht, dass ich nicht wenigstens versuchen kann, ihr zu erklären,
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