Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
Rabbit Hole getroffen habe und wie gruselig es auf mich gewirkt hat, als er meine Hand in seine nahm.
»Leandro wollte nicht einfach irgendeinen Sohn, sondern einen mit einer noch schwärzeren Seele als seine eigene. Da er wusste, dass die Seele in gleichen Teilen Hell und Dunkel umfasst – dass die Lebensgeschichte eines Menschen und die Art von Nahrung, die er erhält, oft bestimmt, welche Seite sich als die dominante erweist –, hat er gleich von Anfang an damit begonnen, die Seele des Kindes zu zerlegen. Er hat seine
lange verstorbenen Ahnen zu Hilfe gerufen und schreckliche Magie und Rituale angewandt, um die Seele zu spalten und deren dunklen Teil auf Kosten des hellen zu nähren. Letztlich lief dann aber doch nicht alles wie geplant. Statt einen Sohn mit schwarzer Seele zu gebären, brachte Chepi Zwillinge zur Welt – einen mit einer hellen und einen mit einer dunklen Seele.«
Mir schwirrt der Kopf von der ganzen Geschichte, und ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.
Zwillinge.
Ein böser. Ein guter.
Der Stoff für Mythen – nur dass es in diesem Fall real ist.
»Okay«, sage ich, während ich noch darum ringe, alles zu begreifen. »Aber wenn Chepis Vater Jolon so mächtig war, warum hat er es dann nicht verhindert?«
Paloma nickt, als hätte sie diesen Einwand erwartet, und ist rasch mit einer Antwort bei der Hand. »Als Chepi zerschunden und verstört nach Hause kam, war Jolon entsetzt darüber, dass seine geliebte Tochter vergewaltigt und so erbarmungslos missbraucht worden war. Doch er wusste nicht, dass Leandro in der Nähe lauerte und diesen Augenblick der Schwäche dazu ausnutzte, um Jolons Wahrnehmung zu verändern – etwas, was ihm noch nie zuvor gelungen war. Manche behaupten, Leandro habe Jolon mit Bildern aus der Zukunft gequält, damit, welches Unheil sein Enkel anrichten würde. Ich weiß nur, dass Jolon das nicht überlebt hat. Er erlitt einen Herzinfarkt und fiel tot um, so dass die arme Chepi als Waise zurückblieb. Sowie Leandro erfuhr, dass er Zwillinge gezeugt hatte, stand für ihn fest, welchen der beiden er bevorzugte. Gleich nach der Geburt schnappte er sich Cade und warnte Chepi, dass er, falls sie versuchte, gegen ihn vorzugehen und den Jungen zurückzufordern, sich auch Dace
holen werde. Und so konzentrierte sich Chepi auf Dace und wandte sich von Heilkunde und Magie und allem anderen ab, was Jolon sie gelehrt hatte. Sie behauptete, sie habe ihre Gabe zusammen mit ihrem Glauben verloren und könne niemandem mehr nützen, aber sie wolle versuchen, ihrem Sohn eine gute Mutter zu sein. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, begann sie herrlichen Türkisschmuck herzustellen, den sie auf dem Markt verkauft. Ihre Geschichte ist sehr traurig, nieta . Sie kann sich etwas nicht verzeihen, was überhaupt nicht ihre Schuld war.«
»Und wie kam es, dass sich die beiden Jungen nie begegnet sind?«, frage ich, während ich versuche, das Ganze zu verarbeiten.
»Dace hat erst als Teenager das Reservat verlassen, als er unbedingt auf die Milagro High gehen wollte. Chepi, die es leid war, ständig mit ihm zu kämpfen, wusste, dass sie ihn nicht ewig schützen kann, und hat schließlich nachgegeben. Am Tag bevor er ging, hat sie ihm die Wahrheit gesagt und ihm von dem Bruder erzählt, den er nicht kannte. Allerdings bezweifle ich, dass es die ganze Wahrheit war. Die kann Chepi sich ja kaum selbst eingestehen. Und ich weiß auch nicht, inwieweit es Dace nützen soll, seinen wahren Ursprung zu kennen.«
Ich schweige und weiß nicht, was ich von der Sache halten soll. Mir kommt die Begegnung an der Tankstelle in den Sinn, die ältere, tieftraurige Frau mit dem schönen Türkisschmuck, die, wie ich jetzt weiß, Chepi gewesen sein muss.
»Jetzt habe ich dir die Geschichte anvertraut, aber du darfst sie niemals weitererzählen. Niemandem und schon gar nicht Dace. Eines Tages erfährt er es vielleicht irgendwie, aber es ist nicht unsere Aufgabe, uns einzumischen. Der Junge ist eine wahrhaft reine und schöne Seele. Er stellt keine
Bedrohung für dich dar. Ich wünsche ihm nur das Allerbeste.«
Schön – da muss ich ihr Recht geben.
»Aber du darfst die beiden nie verwechseln. Du darfst nie zulassen, dass Cade dir vormacht, er sei sein Bruder oder umgekehrt. Du musst eine Methode finden, um sie auseinanderzuhalten. Du hast einmal die Augen erwähnt?«
Ich nicke und sehe sie in Gedanken vor mir. »Sie sind fast genau gleich, abgesehen davon, dass die von Cade Licht absorbieren,
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