Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
Leandro aufgewachsen, während Dace von seiner Mutter Chepi aufgezogen wurde. Sie wurden sehr unterschiedlich erzogen und haben daher eine ganz unterschiedliche Sicht der Welt.«
»Warum wurden sie getrennt großgezogen? Warum wussten
sie nicht wenigstens voneinander? Die Stadt hier ist so klein – wie kann das überhaupt gehen?«, frage ich und weiß, dass sie etwas verbirgt, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, warum, geschweige denn, was.
Immer wieder faltet sie die Hände und löst sie erneut, während sie mit sich ringt, ob sie es mir erzählen soll oder nicht. Schließlich holt sie tief Luft. »Dace ist im Reservat aufgewachsen, das er und Chepi nur selten verlassen haben, während Cade in der Stadt gewohnt hat. Die Familie seines Vaters, die Richters, ist ziemlich reich. Ihnen gehören die meisten Geschäfte hier, und sie betreiben sämtliche öffentlichen Versorgungseinrichtungen, ganz zu schweigen davon, dass sein Vater viele, viele Jahre lang Bürgermeister gewesen ist. Chepi hatte nichts mit ihrer Welt zu tun. Als sie mit den Zwillingen schwanger wurde, war sie die schöne junge Tochter eines angesehenen Medizinmanns namens Jolon – ein rundum verehrter, sehr gefragter Heiler, der angeblich Wunder wirken konnte und eine direkte Verbindung zum Göttlichen haben sollte.«
»Also, damit ich dich recht verstehe«, sage ich und sehe sie an. »Chepi, das brave Mädchen, lässt sich mit Leandro ein, dem bösen Jungen. Sie sind unvorsichtig, sie wird schwanger, und die Neuigkeit trifft ihren Vater hart, der so große Hoffnungen in sie gesetzt hatte …« Ich runzele die Stirn und versuche, kein Urteil zu fällen, aber es klingt genau wie die Geschichte von Django und Jennika. Außer dass Jennika nie das war, was man »brav« nennen würde, und Django nie wirklich »böse« war. Doch sonst gibt es durchaus Parallelen.
Paloma schüttelt den Kopf. »Nein, nieta , so einfach ist es ganz und gar nicht. Weißt du, Chepi war sehr jung, sehr unschuldig und Jolon sehr ergeben. Sie wäre nie einfach so mit Leandro durchgebrannt. Sie hat sich von Jolon ausbilden
lassen, und viele sagen, dass sie sehr vielversprechend war. Alle dachten, dass sie eines Tages in seine Fußstapfen treten würde, doch Leandro hat all ihre Pläne zunichtegemacht.« Ihr Blick ist von den Erinnerungen ganz verhangen. »Leandro ist das genaue Gegenteil von Jolon. Er ist ein gefährlicher Hexenmeister, der einer langen Linie von Hexern entstammt. Die Santos kämpfen schon seit Jahren gegen die Richters, eigentlich schon seit Jahrhunderten und nicht immer hier. Während wir lange gute Fortschritte gemacht haben und im Stande waren, sie zurückzudrängen und im Zaum zu halten, hat sich in den letzten Jahren, mit Leandros Ankunft, alles zum Schlechteren gewandelt. Es hat ihnen nicht mehr gereicht, einfach nur Vermögen anzuhäufen – ihr Ehrgeiz reicht wesentlich weiter. Sie verändern diese Stadt. Sie war nicht immer so trist wie jetzt. Früher hat sie gut zu ihrem Namen gepasst, falls du dir das vorstellen kannst. Aber im Lauf der letzten Jahrzehnte wird es immer schwieriger, ihnen Grenzen zu setzen. Sie haben so viele Gehirne verseucht – die Stadtbewohner fühlen sich abwechselnd von ihnen eingeschüchtert und dann wieder in ihrer Schuld. Und ohne Djangos Hilfe habe ich ihnen allein leider nicht viel entgegenzusetzen, ihre Reihen sind zu stark.« Sie holt tief Luft. »Jedenfalls war Leandro entschlossen, Chepi für seine schmutzigen Zwecke zu missbrauchen, und so hat er sich in der Nacht des Día de los Muertos auf die Suche nach ihr gemacht, und von dem Augenblick an war ihr gewohntes Leben vorbei.«
Als sie meinen verwirrten Blick sieht, spricht sie weiter. »Der Tag der Toten, nieta . Das ist ein Ritual, das schon seit Tausenden von Jahren gefeiert wird und bis zu den Azteken zurückreicht. Es ist der Tag, an dem der Schleier zwischen den Lebenden und den Toten gelüftet wird und alle Verstorbenen geehrt werden. Hier in Enchantment nimmt die ganze
Stadt daran teil. Die Leute tragen Masken, die Totenschädeln ähneln, und besuchen die Friedhöfe, wo sie die Gräber mit Ringelblumen, Perlen und alten Fotos schmücken. Und sie bleiben die ganze Nacht über an den Gräbern – tanzen, trinken, plaudern und halten Zwiesprache mit ihren lieben Toten. Aber im Lauf der letzten Jahre haben viele die Friedhöfe zugunsten des Rabbit Hole aufgegeben, das, wie du ja weißt, den Richters gehört.«
Ich starre sie mit großen Augen an und
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