Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen
Mann steigt
wieder auf seinen klapprigen Drahtesel, » buen camino , mi amigos.« Schon radelt der geheimnisvolle Alte davon.
Marcos und ich gucken uns nur
an und lachen. Dabei finden wir überhaupt nichts komisch, wir wollen uns nur
ein wenig Mut Rachen. Gruselig. Obwohl, vielleicht radelt der hier den ganzen
Tag hin und her und erschreckt Pilger. Auf einem Schild steht » calzada romana«, Römerstraße. Welch wundervoller Zufall, gerade wollte ich nachfragen, ob wir es
noch einmal Schwarz auf Weiß haben könnten. Da ich eine Pause benötige, geht
Marcos wie gewohnt voraus. Nach einigen Minuten habe ich schließlich genug von
der Hitze und raffe mich auf. Ich habe erst wenige Meter zurückgelegt, als ich
rechts von mir mitten im Feld ein riesiges schwarzes Ding entdecke. Da es
relativ weit entfernt ist, kann ich nicht genau erkennen, um was es sich
handelt. Plötzlich bewegt es sich, ganz langsam zwar, aber deutlich. Ein
riesiges schwarzes Tier also, schön. Ich laufe einige Schritte weiter und
blicke wieder nach rechts. Das schwarze Ding ist immer noch da und bewegt sich
nicht mehr. Irre ich mich, oder ist es näher gekommen? Die Hitze scheint mein
Gehirn aufzulösen. Ich gehe weiter. Nach wenigen Metern blicke ich wieder nach
rechts, ich kann nicht anders. Jetzt erkenne ich, dass es sich um einen
riesigen Hund handelt. Das schwarze Ding bewegt sich wieder nicht. Aber ich bin
mir sicher, dass es schon wieder näher gekommen ist. Und jetzt ist auch noch
ein zweites riesiges schwarzes Ding aufgetaucht. Scheiße, hier ist doch weit
und breit nichts, was diesen Monstern als saftiges Mittagsmahl dienen könnte.
Außer mir natürlich. Mein Herz beginnt zu rasen. Weit und breit keine
Menschenseele, Marcos ist nicht mehr als ein Punkt am Horizont, wieso muss der
eigentlich immer so rennen? Ich beschleunige meinen Schritt. Ich blicke wieder
nach rechts. Sie sind noch näher gekommen, bewegen sich aber wieder nicht.
Langsam gerate ich in Panik. In Gedanken lege ich mir schon eine
Verteidigungsstrategie zurecht. Zwei schwarze Wölfe, das wird hart, wenn die
beiden gleichzeitig Angreifern Ich werde mit meinen Wanderstöcken zuerst auf
die Augen zielen. Metallspitze gegen Monsteraugen, da sollte doch etwas für
mich drin sein. Ich drehe mich wieder nach rechts. Und bleibe stehen. Nichts.
Sie sind verschwunden. Wo sind sie hin? Ich blicke mich um. Und entdecke sie
etwa fünfzig Meter hinter mir auf dem Camino. Regungslos stehen sie dort
nebeneinander und beobachten mich. Ich bleibe ebenfalls stehen und beobachte
sie. Was die können, kann ich schon lange. Solange diebeiden da stehen,
werde ich mich nicht von der Stelle rühren. Ichweiß, was solche Tiere
draufhaben. Lautlos schleichen sie sich von hinten an ihre Opfer heran,
springen sie an und zerfetzen sie. Tut mir leid, aber ich möchte nicht zerfetzt
werden. Nicht heute, und nicht auf dem Camino. Etwa eine Minute lang passiert
rein gar nichts, außer dass ich spüre wie mein Herz pumpt. Schließlich geben
die beiden Hunde ihr Sushihäppchen auf und trotten in die Felder zurück. Als
sie endlich weit genug entfernt sind, nehme ich die Beine in die Hand und hetze
davon.
Ich hasse Hunde. Ich hasse
Hunde, ich hasse Hunde, ich hasse Hunde. Ich hasse Hunde. Nicht alle. Aber die
meisten. Ich weiß, es gibt tolle Hunde, liebe Hunde, knuffige, schlaue, treue
Hunde. Aber das alles sind sie nicht zu mir. Wenn Hunde toll sind, heißt es:
tolle Hunde. Wenn Hunde doof sind, heißt es: doofe Besitzer. Schwachsinn. Ich
kann nicht mit Hunden, und sie können nicht mit mir, also sollten wir uns aus
dem Weg gehen. Habt ihr gehört, ihr schwarzen Bestien der Meseta? Lasst mich
bloß in Ruhe!
Völlig fertig versuche ich in
meinen Laufrhythmus zu kommen, was mir bald einigermaßen gelingt. Nach
spätestens zwanzig Minuten hat mir die Sonne die Geschichte mit den Hunden
einfach knüppelhart aus dem Hirn gebrannt. Ich schwitze wie eine Fontäne, und
der mit unfassbar grobem Geröll und Schotter vergewaltigte Weg ist wesentlich
schlimmer zu laufen als der vorgestrige Teil der Römerstraße. Oder wie Marcos
es später treffend umschreibt: Die Landschaft ist ein ganz spezielles
Erlebnis. Nur leider bekommt man davon überhaupt nichts mit, weil man permanent
darauf achten muss, wo man hintritt. Apropos Marcos, es dauert ganze anderthalb
Stunden, bis ich ihn wieder eingeholt habe. Und er keucht auch schon ganz
schön. Mit der tollen Landschaft hat es sich ziemlich bald auch erledigt, und
wir sind
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