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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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umgeben von nichts. Weit und breit nur abgeerntete, staubtrockene
Felder, flach wie ein Backblech, und mindestens genauso heiß. Der Wahnsinn,
beeindruckend, nervig, atemberaubend schön, faszinierend, ermüdend, irgendwie
von allem etwas.
    Physisch fordert uns die
heutige Römerstrecke mehr ab als die gestrige, aber durch das Erlebnis vor zwei
Tagen sind wir psychisch bestens vorbereitet. Klar fluchen wir, und es ist
wirklich hart, aber von einem Zusammenbruch oder bunten Flecken vor den Augen
sind wir weit entfernt. Nach zwei Stunden auf der Römer-Straße nähern wir uns
einer Bahnstrecke, die vermutlich Sahagún mit León verbindet. Genau dort, wo
der Camino die Bahnstrecke tangiert, befindet sich ein verfallener Bahnhof.
Einige Ruinen, ein verwittertes Wartehäuschen, ein Traum von einem
Geisterbahnhof. Ansonsten gibt es hier weit und breit nichts. Im nächsten
Moment sehe ich, dass dort einsam und verlassen ein alter Mann wartet. Er sitzt
im verfallenen Wartehäuschen und wartet. Einfach so. Trainspotting in der
Meseta. Plötzlich hören wir ein Pfeifen, und ein Zug nähert sich. Was für ein
Timing. Ungefähr so stelle ich mir The Ghan im Outback vor, die Bahn, die
Adelaide über Alice Springs mit Darwin verbindet. Vielleicht ein bisschen
länger, aber ansonsten ist die Illusion perfekt. Natürlich hält The Span
(sorry, der musste jetzt sein) nicht für den einen alten Trainspotter, sondern
rauscht durch den Geisterbahnhof hindurch. Ein bizarres Bild, das alles.
    Irgendwann kommen wir an einem
Kreuz vorbei, auf dem abzulesen ist, dass hier vor sechs Jahren eine Pilgerin
verstorben ist. Motivierend ist das nicht. Es zeigt aber, wie beschwerlich der
Weg tatsächlich ist. Später hören wir, dass heute auf der Strecke ein Radpilger
verunglückt ist. Mit schweren Kopfverletzungen sei er nach León ins Krankenhaus
geflogen worden.
     
    Wie Hontanas versteckt sich
auch Reliegos hinter einem Hügel und taucht erst sehr spät auf. Um ziemlich
genau vierzehn Uhr laufen wir im Dorf ein und sind heilfroh, auch die zweite
Römerstrecke unbeschadet überstanden zu haben. Als wir später vom hospitalero erfahren, dass heute nicht einmal zehn Pilger die Route bewältigt haben,
sind wir ziemlich stolz. Zu den Bescheuerten zählen außer Marcos und mir
natürlich auch Ingo und Chris. Alles andere hätte mich doch sehr verwundert.
    Nachdem wir uns geduscht haben,
kriechen Marcos und ich nach Downtown Reliegos und gönnen uns ein eiskaltes
Bier. Da die Außentemperatur immer noch um die vierzig Grad beträgt, schmeckt
es uns besonders gut. Bis achtzehn Uhr lungern wir zwischen albergue und
Bar herum, zu mehr können wir uns einfach nicht aufraffen. Ob sich meine Beine
jemals von der Folter, der ich sie zurzeit aussetze, erholen werden? Das
Gemeine daran ist ja, dass ich mich am Ende des Tages großartig fühle und mir
denke: Morgen geht noch mehr! Dabei wird morgen überhaupt nichts mehr gehen,
das weiß ich jetzt schon.
    Gerade, da ich hier so im
Schatten sitze und mich entspanne, fällt mir ein Gespräch ein, das Avril,
Melanie und ich vor wenigen Tagen geführt haben. Auf dem Weg nach Burgos fragte
Avril Melanie: »Würdest du einen Mann heiraten, der unter gar keinen Umständen
bereit wäre, den Camino zu gehen?« Melanie kam ganz schön ins Grübeln. Ich für
meinen Teil würde die Frage etwas sezieren. Natürlich wäre es toll, eine Frau
zu finden, die sich ohne mit der Wimper zu zucken das hier antun würde.
Andererseits laufen hier so viele schlimme Frauen herum, Stichwort
Mädelsquartett, die würde ich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. Demnach
würden mich Frauen, die unter gar keinen Umständen bereit wären, den Camino zu
gehen, wahrscheinlich nicht sonderlich ansprechen. Das bedeutet aber nicht,
dass Frauen durchs Pilgern attraktiver würden. Gilt übrigens selbstverständlich
auch für Männer.
     
    Endlich öffnet der Laden von
Reliegos. Ich nenne ihn einfach so, weil mir keine passende Bezeichnung
einfällt. Draußen stehen grüne Stühle und Tische von Heineken wie bei einer
Bar. Drinnen allerdings verkauft ein drahtiger Spanier, ich schätze ihn auf
Ende vierzig; allerlei Lebensmittel. Aber das Beste an dem Haus sind die
Unzähligen Pilgergrüße an den Innen- und Außenwänden. Alles vollgemalt und — geschrieben,
von Koreanisch bis Portugiesisch ist so manche Sprache vertreten. Auf
Französisch steht da: »Beachte den heutigen Tag, als gäbe es weder gestern noch
morgen.«
    An anderer Stelle

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