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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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Berlin ziehen, und zweitens
habe ich einen Job, der mir viel Spaß bringt; das können nur die wenigsten von
sich behaupten, muss man erst zig Kilometer durch Römergeröll und Kuhscheiße
hinken, um das zu erkennen? Wenn ja, dann sei es so.
    Apropos Deutsche. Drei Deutsche
gesellen sich zu uns an den Tisch, sprechen aber nicht mit uns, da wir uns auf
Englisch unterhalten. Bei unseren Tischnachbarn handelt es sich um ein älteres
Pilgerpaar und einen jungen Kerl um die zwanzig.
    »Wie bist du auf die Idee
gekommen, den Weg zu gehen?«, fragt der Herr den Jungen.
    Der antwortet: »Ja, durch Hape
Kerkeling, wie alle, ne?«
    Der Altere erwidert: »Nicht wie
alle. Wir wollten den Weg schon immer mal gehen, es hat sich nur nicht
ergeben.«
    Die Frau möchte wissen: »Gehst
du den Weg aus religiösen Gründen? Bist du gläubig?«
    »Nee, nicht so«, der Junge
klingt, als wolle er sich rechtfertigen. »Auch das, was Hape Kerkeling im Buch
so schreibt, wie er Gott getroffen hat, und die ganzen komischen Sachen, die
der erlebt hat... Sowas hab’ ich nicht erlebt.«
    »Aber jeder geht doch seinen
eigenen Weg«, wirft der ältere Herr meiner Meinung nach völlig zu Recht ein.
    »Ja, weiß ich nicht«, der Junge
wirkt ratlos. »Wenn man so was liest, hat man ja auch bestimmte Erwartungen vom
Jakobsweg...«
    Ich glaube, dass nicht wenige
Menschen das gleiche Problem bekommen wie der Junge, wenn sie auf dem Camino
unterwegs sind. Wenn man einfach losläuft, ohne dass einen der Weg gerufen hat,
bekommt man auch keine Antworten. Wie auch, es existieren ja keine Fragen.
Vielleicht hätte er sich drei, vier Reiseberichte über den Camino durchlesen
sollen, um zunächst einmal zu verstehen, dass es den Jakobsweg gar nicht
gibt. Nun sitzt er hier, fast schon mit einer Hand an der Compostela, und hat
nichts weiter als zwei durchtrainierte Beine.
     
    Kulinarisch sind die Spanier ja
ganz weit vorne. Aber da gibt es etwas, was mich in regelmäßigen Abständen
schockiert: der enorme Dosen-Thunfisch-Konsum. Supermärkte in Deutschland
belegen damit maximal eine Regalreihe von etwa fünfzig Zentimetern Breite.
Zumindest bei Nordspaniern spielt sich das Ganze in völlig anderen Dimensionen
ab. Da wird einfach mal so ein komplettes Regal von oben bis unten mit
Dosen-Thunfisch zugepflastert. Unterschiedlichste Marken, Größen und
Geschmacksrichtungen buhlen um die Gunst der Käufer. Besonders beeindruckend
finde ich diese eimerartigen Jumbo-Dosen, mit denen man eine
Durchschnittsfamilie problemlos durch den Winter bringen könnte. In jedem verdammten
Salat wird ein ganzer gehäckselter Thunfischschwarm versenkt, als wäre er Salz
oder Pfeffer. Ich glaube sogar, dass Thunfisch in Nordspanien als Gewürz gilt.
Während wir etwas nachsalzen oder nachpfeffern, sind die Spanier Experten im
Nachthunfischen.
     
    Etappe 17: Ruitelán —
Triacastela (31,0 km)

Mittwoch, 16. September 2009
     
    Aus Internetforen und Büchern
weiß ich, dass die Anzahl der Pilger auf den letzten hundert Kilometern des
Camino aus mehreren Gründen deutlich zunehmen wird. Um in Santiago die
Pilgerurkunde, die so genannte Compostela zu erhalten, müssen Fußpilger
mindestens hundert Kilometer gewandert sein. Und die meisten Menschen haben nun
mal nicht die Möglichkeit, sich mehrere Wochen Urlaub zu nehmen, beispielsweise
Eltern. Zusätzlich aber räumen zahlreiche Unternehmen in Spanien ihren
Angestellten Privilegien ein, wenn sie eine Pilgerschaft nach Santiago de
Compostela vorweisen können. Eigentlich total lächerlich, für eine viertägige
Wanderschaft mehr Urlaubstage zu bekommen. So wird lediglich eine Horde
raffgieriger, asozialer Schulabsolventen auf den Camino geschwemmt und bringt
alle gläubigen Pilger auf die Palme. Gäbe es also Gott, machten sich die
spanischen Firmen keine Freunde dort oben. Welch Ironie. Jedenfalls werden wir
heute den letzten größeren Ort vor der Hundert-Kilometer-Marke passieren, die
Dreizehntausend-Einwohner-Stadt Sarria. Vor dieser Stadt fürchten sich sämtliche
Camino-Freunde. Dort starten nämlich all die Sarria-Pilger, die
Hundert-Kilometer-Ausflügler, die Urkundenabholer. Ich hoffe, die Geschichten
sind schlimmer als die Realität.
     
    Galicisches Wetter ist
praktisch wie Hamburger Wetter, nur galicisch. Und genau damit startet der
heutige Tag. Frühmorgens, es ist noch stockdunkel, treffen Marcos und ich uns
im nicht erkennbaren Dorfzentrum von Triacastela mit Chris. Da es bereits zu
nieseln beginnt, verhüllen wir uns

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