Vom Umgang mit sturen Eseln und beleidigten Leberwürsten - wie Sie Konflikte kreativ lösen
Konfliktenergie ist weiterhin in den Parteien aktiv. Da sie aber dort, wo sie hingehört – nämlich zum Gegner –, nicht mehr hindarf, sucht sie sich ein anderes Ventil. Weitere Personen werden nun in den Konflikt mit hineingezogen. Wie im »Glockenmodell« (siehe Seite 40) aufgezeigt, versuchen beide Parteien, immer mehr Menschen unter ihre Glocke zu ziehen, um sich darin zu bestätigen, dass sie im Recht sind und der andere nicht.
Stufe 5: Entlarvung
Nun geht es unter die Gürtellinie. Der Konfliktpartner wird nicht mehr nur in Bezug auf eine bestimmte Konfliktsituation kritisiert, sondern in seiner gesamten Persönlichkeit für schlecht befunden und infrage gestellt. Man meint, den Gegner entlarvt zu haben und jetzt sein wahres Wesen zu erkennen. Frühere Erlebnisse erscheinen nun in einem anderen Licht, und es entsteht der Eindruck, dass der andere schon immer niederträchtige Motive hatte und man es nur nicht gemerkt hat. Es besteht das Bedürfnis, dem Umfeld die Augen zu öffnen und es quasi vor dem Gegner zu warnen. Zudem breitet sich das infizierte Umfeld immer weiter aus.
Stufe 6: Drohungen
Nun wird mit aller Gewalt versucht, den Gegner zu bestimmten Verhaltensweisen zu zwingen. Es werden konkrete Forderungen aufgestellt und bei Nichterfüllung Konsequenzen angedroht. Dies entspricht einer finalen Kampfansage im Sinne von: Wenn du jetzt nicht …, dann wird … passieren. Mit diesen Drohungen setzt sich der Drohende selbst massiv unter Druck. Um glaubwürdig zu bleiben, muss er bei Bedarf seine Drohungen in die Tat umsetzen.
Stufe 7: Schaden zufügen
In dieser Stufe versuchen beide, dem Gegner ganz gezielt Schaden oder Schmerz zuzufügen. Die Parteien trauen einander inzwischenalles zu und versuchen, den Gegner durch dosierte Schläge in seiner Existenz zu treffen. List und Lüge sind erlaubt, denn im anderen wird nicht mehr der Mensch gesehen, sondern nur noch der Feind. Man kann ihn ohne schlechtes Gewissen schädigen.
Stufe 8: Vernichtungsschläge
Ziel ist es, die Macht- und Existenzgrundlage des Gegners zu vernichten. Mit gezielten, strategisch geplanten Maßnahmen soll der Feind möglichst effektiv ausgeschaltet werden.
Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund
Inzwischen ist klar, dass keiner mehr gewinnen kann. Die Beteiligten treiben unaufhaltsam in einen Abgrund, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Ihre einzige Genugtuung ist das Wissen, dass sie den Feind mit in den Abgrund reißen können und er mit ihnen untergeht.
Dieses theoretische Modell spiegelt die traurige Wahrheit im Konfliktgeschehen absolut zutreffend und realistisch wider. Die Betroffenen liefern sich einen erbitterten Kampf.
Bedenken Sie: Wann immer einer die nächste Stufe betritt, zieht der andere sofort nach. Oft möchte man »nur« einen Warnschuss geben und den Gegner mit einer Maßnahme endlich zur Vernunft bringen. Man hofft, damit den Konflikt zu beenden. Doch leider funktioniert das so nicht. Es führt in der Regel zur weiteren Eskalation!
Zum Glück eskaliert nicht jeder Konflikt bis zum bitteren Ende. Manchmal pendelt er sich auf einer gewissen Stufe ein. Solange keiner der Gegner die nächste Stufe betritt, hält er sich auf einem gewissen Niveau.
Das Ende einer guten nachbarschaftlichen Beziehung
In unserem einführenden Beispiel hat sich der Konflikt auf Stufe 3 eingependelt. Beide haben ihre Konsequenzen gezogen, die Beziehungsstörung ist zwar konserviert, aber die Konfliktenergie scheint zumindest beruhigt zu sein. Claudia Kopp hat dazu beigetragen, indem sie Michael Holzer im Nachgang zu dem Streitvorfall noch eine ganze Weile weiterhin freundlich grüßte. Sie pflegte damit die Beziehungsebene. Michael Holzer hat sich dadurch zwar nicht versöhnen lassen, sodass es zur Lösung des Konflikts nicht ausreicht. Aber wenn sich ein Konflikt auf einer Stufe eindämmen lässt, ist das auch ein großer Erfolg.
Übung
Ordnen Sie Ihren Konfliktverlauf einer Eskalationsstufe zu und machen Sie sich noch einmal bewusst, wie sich die vorherigen Stufen in Ihrem Fall ganz konkret gezeigt haben.
Stellen Sie sich verschiedene Möglichkeiten vor, wie Ihr Konflikt weiter verlaufen könnte. Wie könnte es im schlimmsten Fall weiter- und ausgehen und wie im besten Fall? Was ist für Sie der wahrscheinlichste Fall? Was wäre Ihnen am allerliebsten? Was wird das für Sie, Ihre Gesundheit, Ihre Lebensqualität und Ihre Leichtigkeit bedeuten?
Welche Maßnahmen bräuchte es, damit Ihr
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