Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
einen Index zwischen 9 und 40, was dieser von der katholischen Kirche akzeptierten Methode die despektierliche Bezeichnung »vatikanisches Roulette« eingebracht hat. Genauer lassen sich die fruchtbaren Tage durch Messung der Basaltemperatur feststellen (Pearl-Index 0,8 bis 3); dagegen erschreckt das Kondom mit einem Pearl-Index von 2 bis 14(!), was auf massive Anwendungsfehler schließen lässt …
Wer hat nun die Pille erfunden? Diese epochemachende Erfindung lässt sich keinem einzelnen Menschen zuschreiben. Es ist aber auch nicht wie heute in der Großforschung oft der Fall, dass ein ganzes Heer von Mitarbeitern, die auf ein bestimmtes Projekt angesetzt sind, genannt werden müsste; es sind einige Männer und zwei bemerkenswerte Frauen, wobei auffällt, dass diese beiden Damen die Pille in der Form wollten , wie sie heute existiert, als Präparat nämlich, das frau wie Aspirin einnehmen konnte und dann zuverlässig vor Schwangerschaft geschützt war – die Mehrheit der beteiligten Herren dagegen begann die Forschungen dezidiert nicht , um ein orales Kontrazeptivum zu entwickeln. Diese Gruppe könnte man als Elterngeneration der Pille ansprechen; nur sind es nicht zwei, sondern fünf Personen. Davor gab es allerdings einen »Großvater« der Pille: Er hieß Dr. Ludwig Haberlandt und entdeckte 1919 die Verhinderung der Schwangerschaft durch Hormone bei Ratten. Er nannte das in seiner unveröffentlichten Autobiografie »hormonelle Sterilisation« und fand dafür einen drastischen Vergleich: »Wenn man nicht will, dass ein Fuhrwerk zu einem Parkplatz vordringt, der bereits belegt ist, versperre man ihm den Weg. Ähnlich muß es im Körper einer schwangeren Frau ablaufen: Hormone würden sich den Eizellen und Spermien zwar nicht in den Weg stellen, aber dafür sorgen, dass der Weg in der Gebärmutter unpassierbar ist. Empfängnisverhütung besteht also in einer hormonell vorgetäuschten Schwangerschaft.«
Haberlandt verfolgte diesen Weg unter den schwierigen Bedingungen der Nachkriegszeit an der Universität Innsbruck. Versuchstiere und ihr Futter waren teuer oder nicht zu bekommen. Er begann mit Eierstocktransplantationen von einem Tier ins andere (bei Kaninchen und Meerschweinchen) und unterband so die Empfängnis; natürlich war das noch kein gangbarer Weg zu einem Verhütungsmittel, es ging in der Folge darum, aus tierischen Ovarien einen Extrakt zu gewinnen, mit dem man auch an Menschen klinische Studien beginnen konnte. Das Vorhaben erregte ungeheures Aufsehen und entsprechendes Presseecho. Schon 1927 konnte man die Schlagzeile lesen: »Unfruchtbarmachung der Frau durch Tabletten«. Kernsatz einer abgedruckten »Unterredung mit dem Entdecker Prof. Dr. Haberlandt« – ein Interview gab es noch nicht, sondern eben eine Unterredung – lautet: »Mein Ziel: Weniger Kinder, aber vollwertige!« Zeitgeistgemäß wabert hier das Gespenst der Eugenik durch die Diskussion – welchen Nutzen sollte Geburtenkontrolle denn haben, wenn nicht die Züchtung besseren »Menschenmaterials«. (Denn die Besten, so die Grundüberzeugung, sind ja gefallen …) Die edle Absicht künstlicher Zuchtwahl und genetischer Verbesserung nützte dem Professor Haberlandt aber nichts; er wurde massiv von den üblichen Verdächtigen angegriffen, Kirche und Politik. Er zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und entwickelte mit der ungarischen Firma Richter ein Präparat für klinische Studien. 1930 sollten diese beginnen, über das Ergebnis ist nichts bekannt – Haberlandt hat sich 1932 das Leben genommen, weil er das Mobbing gegen sich und seine Familie nicht mehr ertragen konnte.
Die weitere Geschichte der Pille ist von Verwicklungen, Verwirrungen und Zufällen geprägt, die eine stringente Darstellung schwierig machen. Beginnen wir mit den »Müttern« der Pille: Margaret Sanger und Katharine McCormick. Auf diese Frauen geht sozusagen das Konzept der Pille zurück: Das Konzept einer Erfindung und die Erfindung selber sind nicht dasselbe. Das Konzept existiert manchmal schon Jahre oder sogar Jahrhunderte, bevor ein erster, unvollkommener Realisierungsversuch einsetzt. »Selbstfahrende« Wagen kannte schon die Renaissance, bis das erste Auto dann fuhr, hat es lange gedauert; manche Konzepte wie der »fliegende Teppich« sind immer noch nicht umgesetzt. Ein solches Konzept war eine Pille, die eine Frau einnehmen konnte »wie ein Aspirin« und dadurch zuverlässig vor der Schwangerschaft geschützt war. Beim Absetzen der Pille sollte die
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