Von allen guten Geistern geküsst: Roman (German Edition)
durcheinanderzuwerfen. Wahrscheinlich suchte er nach einem Augapfel.
»Tut mir leid«, begann Mab. »Sind Sie beschäftigt? Ich kann später wiederkommen.«
»Nein.« Delpha nahm einen Fächer aus Papier in ihre klauenförmige Hand und ließ ihn dann in den Abfalleimer neben dem Tisch fallen. »Setzen Sie sich.« Sie nahm ihren dunkelblauen Schal, faltete ihn zusammen und legte ihn auf eine Kiste auf der anderen Seite des Tisches. »Sind Sie endlich doch noch gekommen, um mich für Sie die Karten lesen zu lassen?« Sie nahm etwas anderes von dem Haufen und warf es ebenfalls in den Abfalleimer.
»Nein. Ich habe eine Frage.« Mab blickte mit gerunzelter Stirn die Kiste an. »Packen Sie zusammen? Ich dachte, Sie würden nächste Woche auch noch arbeiten.«
»Nächstes Wochenende wird jemand anderer hier sein.« Delpha wies mit dem Kinn auf einen blauen Stuhl, der von Mab passend zum Tisch angestrichen worden war. »Setzen Sie sich.« Sie krümmte einen Finger, und Frankie hörte auf, auf dem Tisch herumzuwüten, und flog stattdessen auf ihre Schulter.
»Jemand anderer?«
Delpha machte eine Geste zu dem Stuhl hin. »Setzen Sie sich. Was für eine Frage haben Sie?«
Mab zögerte und setzte sich dann. »Gestern Abend ist jemand gestorben. Cindy meinte, dass es da eine Legende gäbe, und dann hörte ich …« Sie würde nicht »Dämonen« sagen. Sie beugte sich vor. »Haben wir hier einen Killer im Park? Einen Serienmörder, der nach vierzig Jahren wieder zuschlägt?«
»Nein«, antwortete Delpha.
»Einfach nein? Ist das alles?«
Delpha betrachtete sie einen Augenblick, dann wies sie auf eine geschnitzte Holztruhe, die neben dem Tisch auf dem Boden stand.
Mab wartete ab, und als Delpha weiter nichts sagte, beugte sie sich hinüber und öffnete die Truhe. Darin lagen seidene Beutel in leuchtenden Farben, mit Schnüren verschlossen. Sie nahm einen blau-grünen Beutel heraus und leerte seinen Inhalt auf den Tisch. »Tarotkarten. Delpha, ich möchte wirklich nicht …«
»Sie decken eine Karte auf, ich beantworte eine Frage. Zehn Karten, zehn Fragen.«
»Seit ich im Park arbeite, haben Sie versucht, mich hierherzulocken. Geben Sie’s zu.«
»Ja.« Delpha lächelte, und Mab sah überrascht, wie sich ihr Gesicht verwandelte. »Und jetzt sind Sie hier. Mischen Sie die Karten.«
»Na gut.« Mab mischte und wollte Delpha das Päckchen reichen, aber die alte Dame schüttelte den Kopf. »Heben Sie ab«, befahl sie, und Mab gehorchte. »Jetzt drehen Sie die oberste Karte um.«
Mab tat es, und auf der Karte war eine schwarz gekleidete Frau mit blassem Gesicht, die ein Schwert hielt, das fast ebenso groß war wie sie, und über ihrem Kopf schwebte eine Krone. Am unteren Rand stand: Regina di Spade , und oben übersetzt: »Pik-Dame«.
»Das ist Ihre Karte«, stellte Delpha fest und blickte sehr zufrieden drein. »Sie sind die Pik-Dame, eine selbstständige, sehr intelligente und starke Frau.« Sie sah Mab eindringlich an. »Ethan ist der Pik-König.«
»Fangen Sie bloß nicht an, uns zu verkuppeln«, warnte Mab.
»Nein, er ist nicht Ihr zukünftiger Lebensgefährte und Gatte. Er ist Ihr Bruder in einem großen und nie endenden Kampf.«
»Bruder, na gut. Das andere, nein. Was geht in diesem Park vor sich?«
»Vieles«, antwortete Delpha. »Nächste Karte.«
»Ach, kommen Sie schon«, protestierte Mab. »Das war nicht fair.«
»Dann stellen Sie genauere Fragen«, meinte Delpha.
Mab dachte nach. »Gut. Fangen wir mit dem Anfang an: Hat mich die FunFun -Statue vom Parkeingang vorgestern wirklich umgerannt?«
»Ja«, antwortete Delpha.
Mab nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis. »Und wie ist das möglich?«
»Legen Sie die nächste Karte auf Ihre Karte«, verlangte Delpha, und Mab tat es.
Auf dieser Karte war so etwas wie der Wachturm zu sehen, ein großer Turm aus Stein, der gerade zu explodieren schien. Mab sah näher hin. Körper stürzten vom Turm herab.
»Das steht Ihnen bevor«, erklärte Delpha. »Veränderung. Sie wird schwer, aber sie ist gut.«
»Tja, sieht wirklich gut aus. Wie ist es möglich, dass die Statue mich umgerannt hat?«
»Sie war von einem Dämon besessen. Legen Sie die nächste Karte links neben die beiden ersten.«
»Von einem Dämon«, wiederholte Mab, irgendwie nicht überrascht.
»Die nächste Karte«, wiederholte Delpha und legte den Zeigefinger links neben die beiden ersten Karten.
Mab legte die nächste Karte ab, während sie scharf nachdachte. Die Karte zeigte einen Kerl auf
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