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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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auch instinktiv Nedomanskis verwundbare Stelle: Nedomanski – und das paßt zu seinem Charakter – ist beherrscht von dem Wunsch, geliebt zu werden. Aber er spürt zugleich, daß ihn niemand liebt – auch die nicht, die er mit seinen Geschenken überhäuft. Vom Alkohol sentimental geworden, hofft er, es werde jemand in echtem Schmerz weinen, wenn ihn Borkenhagen für tot erklärt… Ob es doch einen Menschen gibt, der ihn versteht? Der ihn so liebt, wie er ist?
    Max Nedomanski ist ein ideales Versuchskaninchen für Robert Borkenhagen, aber natürlich hat er das so nicht aufgeschrieben; soweit reicht sein Verlangen nicht, soziale Situationen zu sezieren. Und darum taugt seine Story nicht allzuviel. Sie enthält eine Menge persönlicher Details, die aber allesamt nur von seiner Person ablenken. Es gibt schon ein bißchen Selbstkritik, ja, aber die ist eitel und ein bißchen masochistisch, ohne den Kern zu treffen. Einerseits ist sein erstes Kapitel nicht straff genug, zum anderen jedoch ist es zu gerafft, um dem Dekadenten, dem Absurden, dem fast Surrealistischen der einzufangenden Stimmung ganz gerecht zu werden… Aber kann ich’s denn besser? Und ich brauche sein Material ganz einfach, wenn ich die Story überhaupt machen will. Ich muß zusehen, daß ich doch zwei, drei Folgen rausschinde…
    Mein Gott – schon gleich neun. Und ich sehe immer noch nicht klarer. Ich muß… Wo ist denn sein zweites Kapitel… Hier.
     
     
    Endlich fand Borkenhagen eine Parklücke für seinen weinroten R 4. In der Nachbarschaft eines Ferrari 365 GTC und eines Commodore nahm sich der Wagen recht ärmlich aus, paßte aber zum Bild eines Assistenzarztes. Auf die Plätze… Fertig… Borkenhagen war nervös wie vor einem Hundert-Meter-Endlauf. Neben einem Sandhaufen blieb er stehen und zündete sich eine Gauloise an.
    Schräg vor ihm, noch auf der anderen Straßenseite, lag Nedomanskis Villa, ein kleines Schloß beinahe. Eine Hecke gab es nicht, aber zwischen dem Gebäude und dem Bürgersteig lagen gut und gerne fünfzig Meter von grünstem Rasen. An einer weißen Fahnenstange hing schlaff die NEDO-Flagge, blau, gelb und protzig. Das Haus war ein ockerfarben gestrichener klassizistischer Kasten mit zwei Geschossen und einem recht steilen Schieferdach. Es hatte nichts Anheimelndes an sich.
    Borkenhagen ging zum schmiedeeisernen Tor hinüber, dachte irgendwie an den Buckingham-Palast und fand in einem steinernen Pfeiler eine Wechselsprechanlage. Mit klopfendem Herzen drückte er kurz auf einen verchromten Knopf.
    Ein Knacken, ein Rauschen, eine quäkende Stimme. „Bitte sehr?“
    „Ich bin eingeladen – Doktor Hartmann…“
    Im Pfeiler brummte ein Elektromotor, das schmiedeeiserne Tor mit der vergoldeten NEDO-Rose öffnete sich ganz sanft.
    Borkenhagen schritt über einen breiten Kiesweg auf die angedeutete Freitreppe zu.
    Max Nedomanski kam ihm entgegen, natürlich im Smoking. Sie schüttelten sich die Hände.
    „Herzlichen Glückwunsch!“ rief Borkenhagen. „Viel Glück im neuen Lebensjahr, insbesondere Gesundheit. So wie Sie gebaut sind, werden Sie bestimmt hundert Jahre alt. Und weiterhin viel Erfolg mit Ihrer Firma. Also: Glück und Segen auf allen Wegen! Wachsen, blühen und gedeihen Sie!“
    „Vielen Dank, Doktor!“ Nedomanski sah sich kurz um, dann flüsterte er Borkenhagen zu: „Alles in Ordnung. Nach dem Essen bekomme ich meinen Anfall. Jetzt haben wir es acht; zehn Uhr wird es werden. Gedulden Sie sich also ein bißchen. Es kann gar nichts schief…“ Er brach ab, denn hinter ihm tauchte ein etwas schwammiger junger Mann auf, dessen Faunsgesicht vor Anstrengung und Eifer stark gerötet war. „Dreyer – meine rechte Hand“, sagte Nedomanski. „Na, Moppel, wie stehen die Aktien?“
    „Alles in Ordnung, Chef!“ Der Faun verschwand mit einer angedeuteten Verbeugung.
    „Mensch, ich hab ja vergessen, ein Geschenk mitzubringen!“ rief Borkenhagen.
    „Pst! Schreien Sie nicht so… Das macht doch gar nichts. Kommen Sie…“ Nedomanski führte ihn in die geräumige Halle und stellte ihn den fast vollzählig versammelten Gästen vor. „Herr Dr. Hartmann, ein sehr fähiger junger Arzt, der auf breiter Basis klinische Tests mit unserem NEDO-Tranquil anstellen wird… Guido – das heißt, Herr Winkler, mein Neffe… Fräulein Dahms, meine Sekretärin… Walter Nedomanski, mein Bruder, die gute Seele der Firma… Meine Frau… Edda, meine Tochter aus erster Ehe… Herr Hambach, ihr Verlobter… Senator Häusler…

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