Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
aufgetragen.
Max Nedomanski ließ sich Zeit; erst ehe die Eisbombe serviert wurde, machte er Anstalten, auf den Toast zu antworten. Ein wenig mühsam stand er auf.
„Meine lieben Gäste! Ich bin glücklich, euch alle hier zu sehen. Wieder ist ein Jahr vergangen…“ Er hielt inne und atmete ein paarmal tief durch; dann sprach er weiter: „Wieder ist ein Jahr vergangen, aber zum Glück für uns ist in diesem Jahr niemand von uns gegangen. Ich glaube ganz fest daran, daß…“ Er brach wieder ab, hustete, trank hastig und stützte sich auf die Tischplatte.
„Max, was ist denn?“ rief Maria Nedomanski.
„Nichts, Schatz, nichts… Pardon! Ich wollte nur sagen, daß mein Leben nur so reich ist, weil ich so viele Freunde habe, die mir… Mein Gott!“ Er lief rot an, preßte beide Hände gegen sein Herz, keuchte heftig und sackte mit einem heiseren Stöhnen zusammen.
Alle saßen wie erstarrt.
„Dr. Hartmann!“ schrie Maria Nedomanski. „Schnell – helfen Sie ihm!“
Borkenhagen lief um den Tisch herum und rief noch im Laufen nach feuchten Tüchern.
Dreyer und ein anderer Mann hatten Nedomanski auf den Rücken gelegt und ihm das Smokinghemd aufgeknöpft. Borkenhagen beugte sich über ihn und massierte ihm die Herzgegend. Nedomanski röchelte so echt, daß Borkenhagen fast Angst bekam. Er hielt einen Augenblick inne und gab Dreyer seine Autoschlüssel. „Draußen steht mein R 4, Nummer B – UR 6731. Holen Sie mal meine Tasche. Da stecken Nitrolingual-Gelatinekapseln drin, damit bringen wir ihn durch…“ Verdammt, dachte er, ich darf nicht übertreiben. Kein Arzt erläutert seine Maßnahmen so genau… „Fassen Sie mal mit an!“ wandte er sich an Walter Nedomanski. „Wo ist denn das Schlafzimmer?“
Sie trugen den »Kranken« hinüber in sein Zimmer – das Ehepaar schlief getrennt – und legten ihn aufs Bett. Als Dreyer mit der Tasche kam, verabreichte Borkenhagen eine Vitaminkapsel, die er zu diesem Zweck mitgebracht hatte; dann bat er die anderen, ihn mit dem Patienten allein zu lassen.
„Das haben Sie phantastisch gemacht!“ sagte er, als auch Maria Nedomanski gegangen war. „Meine Anerkennung!“
Nedomanski richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Na, Sie waren auch nicht schlecht. Aber anstrengend ist es ja, so einen Herzanfall zu simulieren. Nur gut, daß ich schon einmal einen echten hatte…“ Er lachte, es klang krächzend.
Borkenhagen fröstelte. Draußen war es längst dunkel geworden; schwere Wolken waren aufgezogen, und der Wind peitschte den Regen gegen die Scheiben. Borkenhagen fühlte sich plötzlich bedrückt; die Euphorie war verflogen, und er ertappte sich bei einem Gedanken, der ihn selbst überraschte: Es war Blasphemie, derart mit dem Tod zu spielen.
„Hören Sie, Herr Nedomanski“, begann er, „ich weiß nicht… Noch können wir zurück. Niemand denkt sich was dabei, wenn wir jetzt zurückgehen und sagen, Sie hätten sich wieder…“
„Was denn!“ lachte Nedomanski. „Sie haben wohl Angst vor Ihrer eigenen Courage? Nee, mein Lieber – Max Nedomanski kehrt niemals um! Diesen Gag lasse ich mir nicht entgehen. Da spricht man noch nach fünfzig Jahren drüber.“
„Das kann man doch den Leuten draußen nicht antun…“ Borkenhagens Stimme klang belegt. „So darf man seine Gäste, so darf man seine Freunde nicht foppen. Das geht zu weit; das ist einfach unanständig!“
„Ihr Idealismus ist rührend… Freunde? Aasgeier sind das; kühle Rechner, die sich von meiner Geburtstagsfeier neue Verbindungen erhoffen. Falsche Freunde, vor denen man sich in acht nehmen soll… Aber das ist noch nicht das Schlimmste: Die meisten hassen mich, wünschen mich zum Teufel! Aber hören Sie mal, wie sie jammern werden, wie sie mich über den grünen Klee loben werden, wenn Sie ihnen sagen, daß ich das Zeitliche gesegnet habe.“
„Ich weiß nicht…“ murmelte Borkenhagen.
Nedomanski verstand sein Zögern als Erpressungsversuch und zog die Schublade des Nachttischs auf. „Ich erhöhe mein Angebot um 200 Mark. Hier sind fünf Hunderter als Anzahlung.“
„Hm…“ Borkenhagen steckte die blauen Hundert-Mark-Scheine in die Brusttasche. „Na schön; meinetwegen. Sie sind der Boss.“
„Allerdings!“ Nedomanski grinste. „Lassen Sie mich noch so eine halbe Stunde als »Toten« hier liegen, achten Sie aber darauf, daß niemand zu mir ins Zimmer kommt. Und dann…“ Er rieb sich die Hände.
„Hoffentlich lynchen die mich nicht, wenn Sie
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