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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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dann wieder lebendig auftauchen.“
    „Ein Kunstfehler. Kann doch jedem mal passieren… Sie bekommen 1200 Mark dafür, daß Sie Ihren Buckel hinhalten. Und später kommt wenigstens keiner auf die Idee, Sie mal zu konsultieren… Vielleicht sag ich ihnen auch, daß alles ein abgekartetes Spiel war – mal sehen, wie sie auf mein Erscheinen reagieren. Ich muß mir das noch mal durch den Kopf gehen lassen… Hoffentlich schlaf ich nicht ein!“
    „Keine Angst, ich wecke Sie schon. Ich könnte mich ja vorher aus dem Staube machen, aber… Nein: wenn schon, dann will ich auch sehen, wie die Leute Mund und Nase aufsperren, wenn der Verstorbene wieder auf der Bildfläche erscheint.“
    „Das wird eine Szene, die Sie Ihr Lebtag nicht vergessen werden… Tun Sie mir einen Gefallen: Halten Sie die Ohren offen und schnappen Sie alles auf, was man über mich sagt, ja? Merken Sie sich vor allem, wer was sagt. Wenn Ihnen das gelingt, wenn Sie mir ein paar hübsche Bemerkungen liefern, können wir noch mal über eine Honorarerhöhung sprechen; Geld spielt keine Rolle. Vor allen Dingen passen Sie auf, ob irgend jemand mal was Positives über mich sagt, ob einer wirklich um mich trauert, ob es irgendwo mehr ist als Konvention und Maske – verstehen Sie?“
    „Ja, ja; ich werde drauf achten.“
    „Dann gehen Sie jetzt“, sagte Nedomanski mit einem undefinierbaren Lächeln. „Viel Glück!“
    „Passen Sie auf, wenn Sie den Hades überqueren“, sagte Borkenhagen mit aufgesetzter Munterkeit. „Ich erkläre Sie hiermit für tot!“ Er schaltete die Deckenbeleuchtung aus und verließ das Zimmer.
    Draußen auf dem Flur erlitt er einen heftigen Schweißausbruch; er mußte stehenbleiben und tief atmen. Dann ging es wieder. Wie in Trance schritt er in die hellerleuchtete Halle hinein.
    Die Gäste, die in kleinen Gruppen zusammengestanden hatten, wichen etwas zurück und bildeten einen Halbkreis. Die Gespräche verstummten, erhobene Gläser wurden nicht mehr zum Mund geführt.
    Borkenhagen starrte in die gespannten Gesichter, die langsam zu fleischfarbenen Ovalen verschwammen. Er wünschte nur noch, unter ihm möge sich in dieser Sekunde eine Falltür auf tun. Er bewegte die Lippen, brachte aber kein Wort hervor.
    „Was ist denn…?“ Eine Stimme von weit her.
    „Herr Nedomanski ist soeben verstorben“, flüsterte Borkenhagen.
     
     
    Meine Frau kommt herein und bringt mir eine Coca. Sie kennt das, was ich lese, ziemlich genau. Sie interessiert sich dafür, teilweise hat sie es auch vom Band oder vom Notizblock abgetippt. Aber eine Idee, wie ich im Handumdrehen aus diesem Berg von Zetteln eine packende Illustrierten-Story machen könnte, hat auch sie bisher noch nicht.
    „Immer noch Nedomanski?“
    „Hm… Im Büro bin ich nicht dazu gekommen, das Material zu sichten.“
    „Du, ich hab dir zu sagen vergessen, daß in Borkenhagens Aufzeichnungen noch was fehlt.“
    „So? Was denn?“
    „Er war doch nach dem Abend im Lokal noch einmal in Nedomanskis Villa – oder nicht?“
    „Ja, stimmt! Das hat er ausgelassen… Komisch. Aber du hast recht – das muß noch rein, wenn wir’s bringen…“ Ich mache mir eine Notiz: Borkenhagens Besuch bei Max Nedomanski!
    „Borkenhagen schreibt seine Rolle ganz schön um, was?“
    „Gott ja… Natürlich. Er rückt sich in den Mittelpunkt, und trotz der vornehmen Zurückhaltung, mit der er sich selbst in der dritten Person nennt, wird er zur eigentlich interessanten Figur… Ich weiß auch nicht, ob es gut ist, daß er unter seinem vollen Namen auftritt.“
    „Was soll er machen? Sich -en nennen, analog zu -ky?“
    „Mal im Ernst: Stilistisch kippt er immer wieder um. Das ist mir stellenweise zu sachlich, denn um dem hanebüchenen Geschehen gerecht zu werden, müßte da ein wenig mehr ironische Distanz zu erkennen sein.“
    „Aber die Story ist gut, das kannst du nicht abstreiten. So was darf einfach nicht in deiner Schublade verschimmeln!“
    Ich stöhne nur.
    „Dann lies man schön weiter, ich guck noch ein bißchen in die Röhre.“
    „Tu, was du nicht lassen kannst.“ Ich blicke ihr einen Augenblick hinterher, erfreue mich an dem, was ihr Minirock freigibt, verwerfe mit eiserner Beherrschung einen verständlichen Gedanken, stöhne noch einmal und nehme die nächsten Seiten von Borkenhagens Manuskript in die Hand.
    Das Bild auf der Leinwand war plötzlich erstarrt. Borkenhagen, der schon seit einer ganzen Weile das Gefühl gehabt hatte, in einem großen Kinosaal zu sitzen,

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