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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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mich unter Brans rechte Schulter und schlang ihm meinen Arm um die Taille, damit ich ihn besser stützen konnte. Er war ein Fliegengewicht, wenn ich nicht verletzt gewesen wäre, hätte ich ihn sicher tragen können.
    Hinter uns ging ein helles Licht an. Ich warf einen Blick auf das leuchtende Rechteck, das Georgia in die Höhe hielt. »Taschenlampen-App«, sagte sie stolz.
    »Schneller«, mahnte Bran und bog mit uns um die Ecke in einen anderen Schacht.
    Während wir uns im Schein der Handytaschenlampe vorwärtskämpften, blickte ich mich neugierig um. Wir befanden uns in einem weiträumigen Tunnelgewölbe aus Ziegelsteinen. In der Mitte strömte ein Gewässer dahin, auf beiden Seiten befanden sich Gehwege, die gerade breit genug waren, dass zwei Personen nebeneinanderlaufen konnten. Obwohl ich noch nie hier gewesen war, wusste ich, wo wir uns befanden: in der Pariser Kanalisation. Sie bestand aus einem Tausende Kilometer langen, verzweigten Netz aus Tunneln, durch die Regen-, Schmelz- und – ja – das Abwasser von Paris flossen.
    »Wenn ich hier irgendwo Kacke schwimmen sehe, schneid ich mir mit dem Teppichmesser die Augen raus«, hörte ich Georgia hinter mir.
    Ich ignorierte sie und verlagerte Brans Gewicht noch einmal. Endlich fand ich den perfekten Griff und so rannten wir fast. Dann erst erlaubte ich mir, an Vincent zu denken.
    Das Ritual hatte also nicht funktioniert. Das ist doch schon mal sehr gut , versicherte ich mir. Das heißt, sie konnte Vincent noch nicht seiner Meisterkräfte berauben. Der kleine Hoffnungsschimmer erlosch allerdings, als mir bewusst wurde, dass es ihr trotz allem gelungen war, Vincents Geist an sich zu binden. Vincent war gefangen und konnte ihr nicht von der Seite weichen.
    Und ich lief von ihnen weg. Vor Wut und Verzweiflung hätte ich fast geschrien. Doch der Gedanke, dass Vincent dieser bösartigen Revenantfrau wehrlos ausgeliefert war, machte mich letzten Endes nur noch entschlossener, ihn von ihr zu befreien.
    Aber zunächst mussten wir Bran in Sicherheit bringen. Die Chance, dass er wusste, wie ich Vincent helfen konnte, war groß.
    Es würde sicher ein Weilchen dauern, bis die Numa sich ihren Weg durch die verriegelte Metalltür gebahnt hätten. Doch fast jedes Gebäude in Paris verfügte über einen Zugang zur Kanalisation. Wenn Violette herausfand, wie Bran entkommen war, konnte sie uns so schnell auf den Fersen sein, wie es dauerte, in den Keller eines Nachbarhauses einzubrechen.
    Bran führte uns so gekonnt durch die vielen Schächte, folgte bald hier, bald da einer Abzweigung, dass klar wurde: Dies war nicht sein erster Besuch in der Kanalisation. Er wusste genau, wohin er wollte.
    Nachdem wir eine halbe Stunde lang an dem stinkenden Wasser entlanggehumpelt waren, uns durch enge Öffnungen geschoben und niedrige Verbindungsschächte hinter uns gebracht hatten, blieben wir endlich vor einer verschlossenen Tür stehen. Aus dem Mauerwerk rechts der Türzarge zog Bran einen der Ziegelsteine und holte einen wuchtigen Generalschlüssel aus dem Versteck. Ich schloss damit die Tür auf und Georgia brachte Bran hinein.
    »Schließ von innen ab«, rief Bran mir zu. Georgia stützte ihn bis zu einem Sessel, wo er sich setzte und nach Atem rang.
    Ich stieß auf eine Laterne aus Glas, in der sich eine Kerze befand. Daneben lag ein Feuerzeug. Während ich die Kerze anzündete, schaltete Georgia ihre improvisierte Taschenlampe aus. Der Kerzenschein tauchte den kleinen Raum in flackerndes Licht. Er war mit zwei Pritschen, ein paar schäbigen Sesseln und Regalen ausgestattet, in denen Vorräte und ein Verbandskasten standen. »Wo sind wir hier?«, fragte ich.
    »Ein altes Versteck, noch aus der Zeit der Résistance. Von meinem Großvater«, antwortete Bran atemlos. »Wir haben es uns bewahrt, um einen sicheren Rückzugsort zu haben. Wir haben es jedoch nie genutzt, bis meine Mutter sich vergangene Woche vor dem steinalten Fräulein und ihren Numa verstecken musste. Trotzdem sollten wir nicht lange hierbleiben. Sobald sie herausfinden, dass wir in die Kanalisation geflüchtet sind, werden sie mit Verstärkung anrücken. Dann könnten sie uns finden.«
    »Wir sollten Sie wirklich zu Jean-Baptiste bringen«, sagte ich. »Aber dazu müssen wir ins siebte Arrondissement, einmal quer durch die Stadt. Und wenn wir dazu in der Kanalisation bleiben, wären wir schon unter normalen Umständen ein paar Stunden unterwegs. Aber mit Ihnen in Ihrem jetzigen Zustand kommen wir eh nicht weit.«
    Bran

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